Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Kassenärztliche Vereinigung. Gestaltungsspielraum bei der Zahlung von Abschlägen auf das Quartalshonorar eines MVZ. Abrechnungsbestimmung. MVZ in der Organisationsform einer juristische Person des Privatrechts. Gesellschafter des MVZ nicht ausschließlich natürliche Personen. Wirksamkeit der Erforderlichkeit der Beibringung einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Abschläge auf das Quartalshonorar besteht nur, wenn die Kassenärztliche Vereinigung in ihren Honorarregelungen solche Abschlagszahlungen vorsieht. Sie hat für die Regelung von Abschlagszahlungen einen weiten Gestaltungsspielraum.
2. Eine Regelung in den Abrechnungsbestimmungen, nach der die Zahlung von Abschlägen auf das Quartalshonorar bei einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ), das in der Organisationsform einer juristischen Person des Privatrechts betrieben wird und dessen Gesellschafter nicht ausschließlich natürliche Personen sind, davon abhängig gemacht wird, dass das MVZ zur Sicherung von Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank beibringt, ist als wirksam anzusehen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Mai 2019 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform einer GmbH, dessen einzige Gesellschafterin ebenfalls eine GmbH ist, begehrt von der Beklagten, an sie monatliche Abschlagszahlungen zu leisten, ohne die Leistung von der Beibringung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Bank abhängig zu machen.
Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 18.04.2012 darüber informiert, dass die geänderten Abrechnungsbestimmungen der Beklagten vorsehen würden, dass die Klägerin eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft zur Sicherung etwaiger Rückforderungen der KVB und der Krankenkassen beibringen müsse, wenn sie weiterhin monatliche Abschlagszahlungen erhalten wolle. Mit dieser Regelung solle eine haftungsrechtliche Gleichstellung mit Einzel- oder Gemeinschaftspraxen erreicht werden, die sich nicht, wie z.B. ein MVZ in der Rechtsform einer GmbH, auf eine Haftungsbeschränkung berufen könnten.
Hiergegen richtet sich der Widerspruch der Klägerin vom 16.10.2012, der mit Schriftsatz vom 16.05.2012 näher begründet wurde. Das Bürgschaftserfordernis verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz, weil die Regelung MVZs einseitig belaste, ohne sachlichen Grund. Ein Abschlagszahlungsrisiko bestehe bei natürlichen Personen ebenso wie bei juristischen Personen. Es sei durch nichts belegt, dass es bei juristischen Personen als MVZ-Träger mehr Insolvenzen gebe als bei natürlichen Personen als Vertragsärzten. Vor allem sei gesetzlich nach § 95 Abs. 1 SGB V eine grundsätzliche Gleichstellung zwischen Vertragsärzten und MVZ gegeben. Das Abschlagszahlungsrisiko sei weitgehend identisch mit dem Rückforderungsrisiko nach Ergehen des Honorarbescheides. Für Letzteres schließe, davon gehe wohl auch die KVB aus, höherrangiges Recht ein zusätzliches Bürgschaftsverlangen gegenüber dem in § 95 SGB V Geregelten aus, da auf den Honorarbescheid und die Auszahlung des erwirtschafteten Honorars nach den Regelungen des EBM und des jeweiligen HVM ein Anspruch bestehe. Das Abschlagszahlungsrisiko bestehe darin, dass zum Zeitpunkt der Abschlagszahlung noch nicht sicher sei, ob die Leistungen überhaupt im prognostizierten Umfang erbracht würden. Typischerweise würden die Abschlagszahlungen nach den Abrechnungsverhältnissen des Vorquartals bemessen. Das MVZ bestehe in seiner jetzigen Trägerschaft seit dem 01.01.2008. Das Risiko einer stark schrumpfenden Praxis sei nicht gegeben, so dass schon dem Grunde nach kein Bürgschaftserfordernis gerechtfertigt sei. Das MVZ erhalte derzeit monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von 2.578.900 EUR, mit denen bei durchschnittlichen Umsätzen von rd. 10 Millionen EUR pro Quartal ca. 80 % des Honoraranspruchs gedeckt seien. Die Restzahlungen würden jeweils mit den Honorarbescheiden aktuell vier Monate nach Abschluss des jeweiligen Quartals erfolgen. Stelle man den Honoraranspruch des MVZ den laufenden Zahlungen der KVB gegenüber, so ergebe sich regelmäßig ein Forderungsüberhang des MVZ gegenüber der KV Bayerns in Höhe von durchschnittlich 5 - 6 Millionen EUR, d.h., zu keinem Zeitpunkt sei zu erwarten, dass das MVZ der KVB "Geld schuldet". Eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft für ein Unternehmen dieser Größe werde nur nach einer aufwendigen Prüfung gewährt und sei nicht zum Nulltarif zu haben. Für die geforderte Bankbürgschaft sei aktuell bei marktüblichen Kosten von ungefähr ein Prozent des Bürgschaftsvolumens mit einer Belastung von ca. 120.000 EUR pro Jahr zu rechnen.
Die Beklagte hat mit...