Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Anforderungen an den Inhalt eines Eingliederungsverwaltungsakts bei Beschränkung des Geltungszeitraums. Ermessensfehlgebrauch. fehlende Regelung zur Überprüfung und Fortschreibung
Leitsatz (amtlich)
Auch ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs 1 S 6 SGB II aF bzw § 15 Abs 3 S 3 SGB II nF, dessen Geltungszeitraum auf sechs Monate beschränkt ist und der eine zweimonatige Maßnahme nach § 16 Abs 1 SGB II iVm § 45 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB III zum Gegenstand hat, muss Ermessenserwägungen zur Geltungsdauer und Regelungen zur Überprüfung des Eingliederungsverwaltungsaktes enthalten.
Tenor
I. Auf die Berufung wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 15. November 2017 aufgehoben und festgestellt, dass der Eingliederungsverwaltungsakt vom 17.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.07.2017 rechtswidrig war.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes (EVA) vom 17.01.2017 streitig.
Der 1972 geborene Kläger erhält seit Jahren zusammen mit seiner 2003 geborenen Tochter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten.
Der Beklagte schlug am 11.11.2016 dem Kläger den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung vor. Der Kläger habe seit über einem Jahr keine Termine mehr bei der Arbeitsvermittlung wahrgenommen, um die aktuelle Sachlage zu klären und gegebenenfalls eine neue Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Der neue Vorschlag berücksichtige, dass die Tochter des Klägers am Nachmittag nicht mehr betreut werde, daher sei eine Teilnahme an einer Maßnahme nur noch am Vormittag geplant. Es werde davon ausgegangen, dass der Kläger in der Lage wäre, die Tochter selbst zur Schule zu bringen und abzuholen. Ein Bewerbungstraining werde für nötig erachtet, da der vorgezeigte Lebenslauf nicht dem heutigen Standard entspreche. Es stelle sich die Frage, ob es nicht zumindest auch an den Bewerbungsunterlagen liege, dass der Kläger noch keine Arbeit gefunden habe. Qualifizierungen seien nach Ansicht des Klägers nicht erforderlich.
Nachdem der Kläger auf dieses Schreiben nicht reagierte, wurde er am 09.12.2016 zum Erlass eines EVA angehört.
Am 17.01.2017 erließ der Beklagte einen EVA gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Der EVA galt für die Zeit vom 23.01.2017 bis zum 22.07.2017. Ziel des Verwaltungsaktes sei die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung in Vollzeit als Industriekaufmann, kaufmännischer Sachbearbeiter, Mitarbeiter im Bereich Lagerlogistik etc.. Der Beklagte biete eine Maßnahme gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zur beruflichen Eingliederung vom 20.02.2017 bis zum 17.03.2017 bei der K. in A-Stadt an. Der Beklagte unterbreite Vermittlungsvorschläge, die dem Bewerberprofil des Klägers entsprächen, er erstatte auf Antrag angemessene nachgewiesene Kosten für schriftliche Bewerbungen, er bewillige die Teilnahme an einer Maßnahme bei einem Arbeitgeber gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB III und übernehme dabei entstehende Fahrkosten und im Einzelfall weitere Kosten, z.B. für Arbeitskleidung. Die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung werde durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses an den Arbeitgeber gefördert. Zum Zweck der Aktivierung solle der Kläger an der oben genannten Maßnahme von Montag bis Donnerstag von 8:30 Uhr bis 12:30 Uhr und am Freitag von 8:30 Uhr bis 11:30 Uhr teilnehmen. Er erhalte vom Maßnahmeträger einen Teilnahmevertrag ausgehändigt, den er nicht unterschreiben müsse, dessen Inhalt er jedoch zur Kenntnis nehmen müsse.
Als Maßnahmeninhalte wurden genannt:
- Ansprechpartner für individuelle Gespräche über persönlich berufliche Situation
- Abgleich des eigenen Profils mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes
- Erstellen aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen
- Vorbereitung auf Vorstellungsgespräche
- Suche nach freien Stellen
- Erarbeiten von Strategien, die den Rückweg in das Arbeitsleben erleichtern
- Persönliches Coaching und Training für berufsrelevante Themen
- Teilnahme an Workshops zu arbeitsmarktrelevanten Themen
- Einstieg in den Arbeitsmarkt durch passende Praktika in Unternehmen
Als Mitwirkungspflichten des Klägers wurden genannt:
- Einhaltung der individuellen Präsenzzeiten
- aktive Mitwirkung bei allen auf die berufliche Eingliederung abzielenden Leistungen
- aktive Mitarbeit bei Bemühungen, eventuell vorhandene Einschränkungen in Bezug auf eine Integration in Arbeit abzubauen
- aktive Mitwirkung bis zum Ende der Zuweisungsdauer
Während der Teilnahme an der Maßnahme sei im Krankheitsfall der Bildungsträger sofort zu benachrichtigen und eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Während der Gültigkeitsdauer des EVA solle der Kläger mindestens ac...