Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Antrag auf sozialrechtliches Kindergeld mit europäischen Bezügen. Zurückweisung eines Lohnsteuerhilfevereins im Antragsverfahren. unzulässige Rechtsdienstleistung. Erforderlichkeit einer eigenen rechtlichen Prüfung durch den Bevollmächtigten. keine Nebenleistung der Steuerberatung
Orientierungssatz
1. Ein Lohnsteuerhilfeverein ist nicht berechtigt, seine Mitglieder in einem sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren zu vertreten, welches die Bewilligung von sozialrechtlichem Kindergeld mit europarechtlichen Bezügen zum Gegenstand hat.
2. Im sozialrechtlichen Kindergeldverfahren ist eine rechtliche Prüfung erforderlich, die der Bevollmächtigte für einen erfolgreichen Antrag selbst vornehmen muss (Abgrenzung zu BSG vom 14.11.2013 - B 9 SB 5/12 R = BSGE 115, 18 = SozR 4-1300 § 13 Nr 1).
3. Die Vertretung in Kindergeldsachen nach dem BKGG 1996 ist auch nicht Nebenleistung der Steuerberatung einschließlich der Hilfe in Kindergeldangelegenheiten nach dem EStG.
Normenkette
RDG §§ 1, 2 Abs. 1, §§ 3, 5 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB X § 13 Abs. 1 S. 1, Abs. 5; AO § 80; StBerG § 4 Nrn. 1, 11; BKGG § 1; VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 67; VO (EU) Nr. 987/2009
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11.11.2015 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Verfahrensbevollmächtigter in dem Verfahren wegen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) i. V. m. dem koordinierenden europäischen Sozialrecht des in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verzogenen kindergeldberechtigten Beigeladenen zurückgewiesen werden durfte.
Der Beigeladene trat dem Lohnsteuerhilfe Bayern e.V. am 25.08.2004 bei. Seine Mitgliedschaft endete zum 31.12.2012. Er erhielt für seine Kinder A. S. (geboren 2004) und J. (geb. 2009) Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG; steuerrechtliches Kindergeld).
Am 08.02.2009 meldete sich der Beigeladene mit Ehefrau und Kindern vom Wohnsitz E-Stadt nach Rumänien ab. Eine Arbeitgeberbescheinigung der Fa. E. vom 21.05.2010 weist hingegen als Beginn der Entsendung das Datum 01.07.2006 aus. Eine weitere Bescheinigung nennt als Entsendungsbeginn den 01.01.2006. Der Beigeladene wurde zunächst befristet bis zum 31.12.2010 entsandt. Seit dem 16.04.2010 ist der Beigeladene wieder in Deutschland gemeldet.
Mit Bescheid vom 04.05.2010 hob die Beklagte u. a. die Bewilligung steuerrechtlichen Kindergelds ab März 2009 auf. Im Bescheid wurde auf einen evtl. bestehenden Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld hingewiesen. Im dagegen angestrengten Widerspruchverfahren wurde der Beigeladene durch den Kläger vertreten.
Am 21.06.2010 stellte der Beigeladene dann einen Antrag auf Kindergeld nach dem BKGG. Er wohne mit den Kindern in B-Stadt an, seine Frau wohne in C-Stadt/ Lkr. C..
Mit Schreiben vom 23.11.2010 bat der Kläger unter Vorlage von Nachweisen und Dokumenten zum Antrag die Beklagte, künftig den gesamten Schriftwechsel wegen Kindergeld mit dem Beigeladenen an ihn zu richten. Mitgeteilt wurde, dass die rumänische Behörde nicht die übermittelte Familienstandbescheinigung, sondern nur den amtlichen Vordruck E 401 ausstelle und auch nur dann, wenn das Formular von der Familienkasse abgestempelt und unterschrieben sei. Der Nachweis über die fortbestehende Sozialversicherungspflicht der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland liege noch nicht vor. Dem Schreiben lag eine Vollmacht des Beigeladenen für den Kläger vom 16.11.2010 bei, die allerdings nur zur Empfangnahme von Bescheiden der Familienkasse ermächtigt. Zur bestehenden Bevollmächtigung im Verwaltungsverfahren verwies der Kläger im Übrigen auf § 80 Abgabenordnung (AO).
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 28.12.2010 wies die Beklagte den Kläger daraufhin als Verfahrensbevollmächtigten des Beigeladenen in dessen Kindergeldverfahren nach dem BKGG zurück. Steuerberater seien nach §§ 1, 3, 33 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ausschließlich zu geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt.
Geschäftsbesorgungen in sozialrechtlichen Angelegenheiten fielen nicht darunter. Die Zurückweisung richte sich nach § 13 Abs. 5 SGB X.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Kläger sei gemäß § 4 Nr. 11 Steuerberatungsgesetz zur Hilfeleistung in Kindergeldsachen nach dem EStG zuständig. Bei Kindergeld nach dem BKGG handele es sich um eine sonstige Angelegenheit.
Dagegen erhob der Kläger unter Wiederholung ihres Vorbringens Klage zum Sozialgericht München.
Das Verfahren über die Gewährung von Kindergeld nach dem BKGG schloss die Beklagte in der Folgezeit ab. Der Beigelad...