Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Zulassungsentziehung wegen sexueller Übergriffe

 

Orientierungssatz

Die Zulassung als Vertragspsychotherapeut ist bei sexuellen Übergriffen auf die Patienten auch dann zu entziehen, wenn diese Übergriffe vor Geltung des Straftatbestandes des § 174c StGB stattgefunden haben.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 02.09.2009; Aktenzeichen B 6 KA 14/09 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Entzug der Zulassung des Klägers als Vertragspsychotherapeut.

Der 1946 geborene Kläger ist Dipl.-Psychologe.

Vom 01.01.1978 bis 31.03.1994 arbeitete er als Leiter der Psychosozialen Beratungsstelle der C. in A-Stadt.

Während dieser Zeit, am 04.06.1986, erteilte ihm die Stadt A-Stadt die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde nach dem Heilpraktikergesetz.

Am 18.06.1993 fand in der Universität A-Stadt ein Vortrag über sexuellen Missbrauch in der Psychotherapie statt. In der Folgezeit dieses Vortrags erhoben verschiedene Personen, darunter auch Patientinnen anderer Psychotherapeuten, die zuvor beim Kläger behandelt worden waren, Vorwürfe gegen den Kläger im Hinblick auf sexuelle Übergriffe.

Der Kläger wertet diese Vorgänge als mobbing gegen seine Person.

Am 03.02.1994 war ihm von der Arbeitgeberin, der C. in A-Stadt, eine fristlose Kündigung erklärt worden wegen angeblicher sexueller Übergriffe im Rahmen der psychotherapeutischen Arbeit, sowie wegen Belästigung von Mitarbeiterinnen. In einem arbeitsgerichtlichen Vergleich einigte man sich daraufhin auf ein Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 31.03.1994.

Seit 1995 nahm der Kläger - nunmehr offenbar in eigener Praxis - am sogenannten Delegationsverfahren teil. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses vom 24. Februar 1999 erhielt er schließlich die Zulassung als psychologischer Psychotherapeut in A-Stadt.

Im Juni 2001 wandte sich eine Frau E. H. zunächst telefonisch, später auch schriftlich mit zwei längeren Schreiben, eingegangen am 2. Juli und am 24. August 2001, an die Beigeladene zu 1., die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, und teilte Folgendes mit:

Sie habe sich vom Frühjahr 1996 bis Sommer 1997 bei dem Kläger in Psychotherapie befunden. Anfangs sei die Therapie nicht auffällig gewesen. Nach einiger Zeit habe der Kläger mehrfach versucht, sie mit ihrem Spitznamen "E." anzureden. Sie hätten anfangs vereinbart gehabt, dass er sie mit "Sie" und "E." anreden dürfe.

In der Therapie habe der Kläger ihr auffällig oft das Gefühl gegeben, dass er sie bewundere, und dass sie eine tolle Frau sei. Es habe häufig Situationen gegeben, in denen er ihr zu nahe getreten sei und in denen sie sich gegen seine verbalen Äußerungen habe wehren müssen. Im Laufe der Therapie habe sie sich sodann in den Kläger verliebt. Dieser habe sich in ihrer Zuneigung gesonnt, zumal sie viel jünger (29) gewesen sei als er. Da ihre Verliebtheit vom Kläger auch angefacht worden sei, habe sich in ihr der Wunsch entwickelt, auch mit ihm Kaffee trinken zu gehen.

Ab diesem Zeitpunkt sei ihr die Situation aus den Händen geglitten. Der Kläger habe ihr gesagt, dass er sich vorstellen könne, dass viele Männer gerne mal mit ihr schlafen wollten und dass dies auch mit ihm möglich wäre. Dadurch habe sie sich vor den Kopf geschlagen gefühlt und sie habe gemerkt, dass sie die Therapie unbedingt abbrechen müsse. Das habe sie dem Kläger auch telefonisch mitgeteilt. Dieser habe jedoch auf einem klärenden Gespräch in der Praxis bestanden. Daran hätten außer dem Kläger auch dessen Ehefrau und dessen Schwester teilgenommen. Während dieses Gespräches habe er versucht, ihr die Schuld an dem Vorfall zu geben. Er habe gesagt, dass sie das schließlich von ihm gewollt habe.

Ein Mitarbeiter der Telefonseelsorge, an den sie sich daraufhin gewandt hatte, habe ihr erzählt, dass sie nicht die erste sei, der es beim Kläger so ergangen sei. Sie habe damals große Angst vor dem Kläger gehabt und deshalb die Sache nicht der Polizei gemeldet.

Der Kläger hat dazu gegenüber der Beigeladenen zu 1., der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, schriftlich ausgeführt, Frau H. habe sich im Delegationsverfahren vom 10.05.1996 bis 15.07.1997 in seiner verhaltenstherapeutischen Behandlung befunden. Nachdem die Sitzung am 15.07., die letzte im Rahmen der Kurzzeittherapie, abgeschlossen war, habe er mit Frau H. diskutiert, ob an dieser Stelle die Behandlung beendet oder die Umwandlung in eine Langzeittherapie beantragt werden solle, und wenn, mit welchem therapeutischen Ziel dies geschehen solle.

Sie hätten gemeinsam beschlossen, einen Umwandlungsantrag zu stellen. Als therapeutisches Ziel sei die Behandlung "sexueller Hemmungen" vereinbart worden. Ein oder zwei Tage nach dieser Sitzung habe Frau H. ihm telefonisch vorgehalten, er hätte sie verbal zum Geschlechtsverkehr aufgefordert. Über diesen Vorwurf sei er ent...

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