Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlender Nachweis der Vollmacht im Widerspruchsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Hat ein Bevollmächtigter im Widerspruchsverfahren seine Vollmacht auf Verlangen des Leistungsträgers innerhalb der ihm gesetzten Frist nicht nachgewiesen, kann der Widerspruch als unzulässig verworfen werden.
2. Der Mangel der Vollmacht im Widerspruchsverfahren kann nicht durch die nachträgliche Vorlage einer Vollmacht im Klageverfahren geheilt werden.
3. Die Anforderung des Nachweises der Vollmacht muss regelmäßig mit einer angemessenen Frist und dem Hinweis verbunden sein, dass anderenfalls der Widerspruch als unzulässig verworfen wird.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. August 2022 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, in welcher Höhe die Klägerin ab September 2020 ihr Einkommen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) einzusetzen hat. Insbesondere streiten die Beteiligten über die Zulässigkeit des Widerspruchs der Klägerin.
Die 1941 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die ab Juli 2020 in Höhe von 1.207,11 € ausgezahlt wurde, sowie eine Rente aus einer betrieblichen Altersvorsorge in Höhe von monatlich 133,20 € (Stand Juli 2020). Sie ist in Pflegegrad 3 eingestuft mit einem Anspruch auf Pflegesachleistungen bis zu 1.298 € pro Monat. Bis zum 30.06.2018 erhielt die Klägerin Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII vom Landkreis N als örtlichem Sozialhilfeträger. Zum 01.07.2018 wechselte die Zuständigkeit zum Beklagten. Dieser bewilligte mit Bescheid vom 20.11.2018 Pflegegeld nach Pflegegrad 3 unter Berücksichtigung einer Eigenbeteiligung aus dem Einkommen.
Im Mai 2019 beantragte die Tochter der Klägerin unter Vorlage einer umfassenden Vollmacht ihrer Mutter für diese die Weitergewährung der Hilfe zur Pflege. Mit Bescheid vom 06.09.2019 bewilligte der Beklagte Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege in Form von häuslicher Pflegehilfe durch den ambulanten Pflegedienst A KG für die Zeit vom 01.07.2019 bis zum 30.06.2023 sowie ein 2/3 gekürztes Pflegegeld. Eine Eigenbeteiligung aus dem Einkommen wurde in Höhe von monatlich 110 € gefordert und bei der Auszahlung des Pflegegeldes in Abzug gebracht. Wegen der Rentenerhöhung zum 01.07.2020 berechnete der Beklagte die Höhe der Eigenbeteiligung neu und änderte diese mit Bescheid vom 20.08.2020 ab 01.07.2020 auf monatlich 124 €.
Mit Bescheid vom 16.10.2020 hob der Beklagte den Bescheid vom 06.09.2019 mit Wirkung zum 01.04.2020 auf und erhöhte ab dem 01.04.2020 bis auf Weiteres die Leistungen der ambulanten Hilfe zur Pflege in Form von häuslicher Pflegehilfe durch den Ambulanten Pflegedienst A KG. Eine Erhöhung des Umfangs der Pflegeleistungen sei erforderlich geworden, weil die Klägerin aufgrund der Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie nicht mehr wie bisher zweimal wöchentlich eine Tagespflegeeinrichtung besuchen könne. Die Gewährung der Pflegesachleistungen erfolge unter Abzug der Leistungen der Pflegeversicherung nach Pflegegrad 3 sowie der Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Außerdem wurde ein um 2/3 gekürztes Pflegegeld bewilligt. Unter Ziffer 6. des Bescheids forderte der Beklagte eine Eigenbeteiligung aus dem Einkommen vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 in Höhe von monatlich 98 € (Buchst. a) und vom 01.07.2020 bis auf Weiteres in Höhe von monatlich 124 € (Buchst. b). Die Eigenbeteiligung aus dem Einkommen werde bei der Auszahlung des Pflegegeldes in Abzug gebracht. Eine Eigenbeteiligung aus Vermögen werde nicht gefordert.
Aufgrund einer Nachberechnung der gesetzlichen Rente ab dem ursprünglichen Rentenbeginn am 01.01.2002 erhielt die Klägerin von der Rentenversicherung eine Nachzahlung von 8.011,21 €. Die laufende Rente erhöhte sich ab dem 01.09.2020 auf einen Zahlbetrag von 1.238,98 € (Bescheid der Rentenversicherung Baden-Württemberg vom 11.08.2020). Im Wege der Kostenerstattung machte der Landkreis N einen Betrag in Höhe von 1.299,33 € geltend, den die Rentenversicherung an das Landratsamt auszahlte. Am 14.01.2021 wurde das verbleibende Guthaben in Höhe von 6.223,06 € an die Klägerin überwiesen.
Mit Bescheid vom 17.02.2021 hob der Beklagte Ziffer 6. b) des Bescheids vom 16.10.2020 auf und setzte die Eigenbeteiligung ab dem 01.07.2020 neu fest. Vom 01.07.2020 bis 31.08.2020 forderte der Beklagte eine monatliche Eigenbeteiligung von 124 €, vom 01.09.2020 bis 30.11.2020 in Höhe von 143 €, für Dezember 2020 in Höhe von 71 €, vom 01.01.2021 bis 31.12.2021 in Höhe von 332 € und vom 01.01.2022 bis auf weiteres in Höhe von 55 €. Die Eigenbeteiligung aus dem Einkommen und das im Bescheid vom 16.10.2020 bewilligte Pflegegeld würden miteinander verrechnet.
Dagegen legte der Bevollmächtigte der Klägerin am 16.03.2021 im Namen der Tochter der Klägerin Widerspruch ein, der im Wesentlichen damit be...