nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsaufenthalt. Ruhen. Kuba. Behandlungsmethode
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Sonderregelung des § 18 SGB V, die einen Erstattungsanspruch für im Ausland anfallende Behandlungskosten zulässt, durchbricht den Grundsatz des Verbots der Auslandsbehandlung in den Fällen, in denen eine erforderliche Behandlung nur im Ausland möglich ist und dort nach allgemein wissenschaftlich anerkanntem Standard erbracht wird.
2. Dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnis entspricht eine Behandlungsmethode nur dann, wenn sie nicht nur von einzelnen Ärzten, sondern von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte und Wissenschaftler) befürwortet wird. Von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, muss über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen.
3. Der Erfolgsgrad einer medizinischen Behandlung ist vom System her nicht maßgeblich für die Kostentragung. Die Krankenkasse stellt vielmehr eine Versorgung in einem nach §§ 2, 11 SGB V bestimmten Rahmen sicher, den sie nur in besonderen Fällen wie den des § 18 SGB V überschreiten kann.
4. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist der Krankenkasse ein Ermessen, das sich auf Null reduzieren kann, eingeräumt, darüber zu befinden, ob die Kostenübernahme für eine solche Auslandsbehandlung angezeigt ist. Dabei ist für den Kostenübernahmeanspruch, ebenso wie beim Erstattungsanspruch auf der Grundlage des § 13 SGB V, die vorherige Einschaltung der Krankenkasse zwingend erforderlich.
Normenkette
SGB V § 16 Abs. 1 Nr. 1, § 18
Verfahrensgang
SG Augsburg (Entscheidung vom 02.12.2003; Aktenzeichen S 10 KR 110/03) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 2. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten zu erstatten, die dem Kläger für eine Behandlung in Kuba entstanden sind.
Der 1985 geborene Kläger ist bei der Beklagten versichert. Er leidet am Usher-Syndrom, einer Erkrankung mit Retinopathia pigmentosa, progredienter Schwerhörigkeit, Vestibularisausfall und eventuell epileptischen Anfällen. Sein Vater beantragte für ihn mit Schreiben vom 16.12.2002 eine Kostenübernahme für eine Therapie (mit Operation) in der Klinik "C." in Havanna auf Kuba. Die Beklagte befragte zum Antrag ihren Medizinischen Dienst BEV (Dr.G.). Nach dessen Aussage fehle für die Retinitis Pigmentosa-Therapie in Kuba der wissenschaftlich erbrachte Nachweis der Wirksamkeit. Die Kostenübernahme wurde deshalb nicht befürwortet. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 07.01.2003 die Kostenübernahme unter Hinweis auf § 18 SGB V mit der Begründung, es fehle der Nachweis der Wirksamkeit, abgelehnt. Die Methode sei kein Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der mit Schreiben vom 15.01.2003 eingelegte Widerspruch. Die Therapie in Kuba sei die einzige Möglichkeit, den Kläger vor der Erblindung zu retten. Viele Menschen, auch in Deutschland hätten sehr positive Erfahrungen mit dieser Therapie gemacht. Es handele sich um eine Routineoperation.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.04.2003 zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 29.04.2003 Klage beim Sozialgerich Augsburg. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht der behandelnden Augenärztin des Klägers eingeholt. Dr.P. gab darin an, sie habe die Operation nicht empfohlen. Im Klagebegründungsschreiben vom 26.11. 2003 teilte der Klägerbevollmächtigte mit, die Augenbehandlung sei in der Zeit vom 26.04.2003 bis 16.05.2003 in Kuba durchgeführt worden. Der Kläger habe Anspruch auf Kostenerstattung. Er sei an einer unheilbaren Krankheit erkrankt, für die es derzeit keine Therapie gebe, über deren Wirksamkeit in den einschlägigen Fachkreisen Konsens bestehe. Die verfasssungsrechtlich gebotene Folgenabwägung gebiete die Kostenerstattung. Als Anlagen der Klagebegründung wurden beigefügt ein Artikel aus dem Spiegel ein Artikel, aus der Zeitschrift "Der Kassenarzt" sowie (in spanischer Sprache) ein Buch des Dr.Orfilio Peláez Molina. Das Sozialgericht ermittelte im Internet und nahm ein Schreiben der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft und des Berufsverbandes der Augenärzte Deutschlands e.V. zur Akte. Nr.10 dieses Schreibens enthält die Stellungnahme der Kommission vom 02.11. 2001 zur "Kuba-Therapie". Es wird von einer Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung abgeraten. Die Kuba-T. hat dem Vater des Klägers für die Behandlung 11.482,00 EUR in Rechnung gestellt, der Gesamtpreis der Therapie beträgt 8.921,00 Euro.
Das Sozialgericht hat die Klage unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides mit Urteil vom 02.12.2003 abgewiesen. Die Beklagte habe gemäß § 18 Abs.1 SGB V zutreffend abgelehnt, die Kost...