Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung. Befreiung von der Versicherungspflicht. angestellter Jurist bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Erbringung von Rechtsdienstleistungen in konkreten fremden steuerrechtlichen Angelegenheiten gegenüber Mandanten seines Arbeitgebers. unabhängige und eigenverantwortliche Ausübung der Tätigkeit. Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
Orientierungssatz
Ein bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft angestellter, zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Jurist, der unabhängig und eigenverantwortlich in konkreten fremden steuerrechtlichen Angelegenheiten Rechtsdienstleistungen gegenüber fremden Dritten (Mandanten seines Arbeitgebers) erbringt, ist von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.
Normenkette
SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 1; BRAO §§ 1, 3 Abs. 1, § 46; StBergG §§ 3, 57 Abs. 1, § 60 Abs. 2; FBO § 62a; WPO § 43; WPO § 44b; GG Art. 12 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung in seiner Tätigkeit bei der K. AG als fachlicher Mitarbeiter im Bereich Tax Service Lines in der Zeit vom 08.07.2010 bis zum 19.03.2014.
Der 1980 geborene Kläger ist Volljurist. Er begann am 01.05.2010 seine Tätigkeit bei der K. AG. Seit dem 08.07.2010 ist er Mitglied der Rechtsanwaltskammer A-Stadt. Kraft Gesetzes ist er zudem Mitglied der Bayerischen Versorgungskammer. Er ist seit dem 20.03.2014 auch als Steuerberater zugelassen und von der Beklagten nach § 6 Abs 1 SGB VI ab diesem Zeitpunkt befreit. Daher ist nur der o.g. Zeitraum streitig.
Der Kläger beantragte am 09.08.2010 die Befreiung von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Mit Bescheid vom 09.02.2011 wurde der Antrag abgelehnt. Seine Tätigkeit als fachlicher Mitarbeiter sei weisungsgebunden und stehe den Grundsätzen der freien Berufsausübung des Rechtsanwalts entgegen. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 23.08.2011 zurückgewiesen.
Mit seiner zum Sozialgericht München erhoben Klage verfolgte der Kläger sein Ziel weiter. Hier gab er hinsichtlich der Stellen- und Funktionsbeschreibung seiner Tätigkeit zusammengefasst folgendes an:
Seine Tätigkeit umfasse die Analyse von betriebsrelevanten konkreten steuer- und damit verbundenen sonstigen rechtlichen Fragen und die selbstständige Bearbeitung und Darstellung von Lösungsansätzen für Mandanten seines Arbeitgebers. Im Hinblick auf die Einhaltung zeitlicher Vorgaben unterliege er grundsätzlich den Weisungen seiner unmittelbaren Vorgesetzten, die ebenfalls Rechtsanwälte seien. Ansonsten sei er frei in der Auswahl der bei der Bearbeitung rechtlicher Fragestellungen anzuwendenden Methoden und unterliege in der Vertretung seines Rechtsstandpunktes keinerlei Weisungen. Die Lösungen und Ergebnisse seiner Arbeit würden von ihm gegenüber Mandanten und Externen präsentiert. In den von ihm verfassten Stellungnahmen und Gutachten sei er als Bearbeiter/Ansprechpartner erkennbar. Dabei sei er in den Abstimmungsprozessen vor allem bei Entscheidungen über die Stellung von Anträgen und das Einlegen von finanzgerichtlichen Rechtsbehelfen wesentlich beteiligt. Unter Anträgen sei insbesondere die Ausarbeitung der Anzeigen auf Erteilung von verbindlichen Auskünften nach § 89 Abs 2 Abgabenordnung sowie von lohnsteuerlichen Anrufungsauskünften im Sinne von § 42e EStG gegenüber den Finanzbehörden gemeint, bei denen er ebenfalls keinen fachlichen Weisungen seiner Vorgesetzten unterliege. Er verhandele selbstständig mit Mandanten, externen Rechtsanwälten oder Steuerberatern und den Vertretern der Finanzverwaltung. Insbesondere gehöre zu seinen Tätigkeitsfeldern die Mitwirkung bei steuerlichen Außenprüfungen und Rechtsbehelfsverfahren, in welchen er grundsätzlich zusammen mit einem seiner Vorgesetzten (einem Prokuristen der K. AG) agiere. Er bearbeite auch Rückfragen der Finanzverwaltung im Zusammenhang mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten der Mandanten der K. AG eigenständig. Er erarbeitete auch Verträge soweit sie für die steuerliche Beurteilung von Relevanz seien.
Sowohl im Verwaltungs-, Widerspruchs- als auch Klageverfahren standen die bis dahin von der Beklagten für die Befreiung von angestellten Rechtsanwälten herangezogenen vier Kriterien im Focus.
Das Sozialgericht München hob mit Urteil vom 10.07.2012 den Bescheid der Beklagten vom 09.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.08.2011 auf und verurteilte die Beklagte, den Kläger ab dem 08.07.2010 für seine Tätigkeit bei der K. AG von der Versicherungspflicht zu befreien. Es sah die vier Kriterien als ungeschriebene Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI als erfüllt an.
Die Beklagte erhob Berufung g...