Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Abrechnung von Spontanatmungsstunden als Beatmungszeit

 

Leitsatz (amtlich)

Spontanatmungsstunden sind auch dann als Beatmungszeit abzurechnen, wenn der Entwöhnungsversuch bis zur Entlassung des Versicherten nicht zu einer stabilen respiratorischen Situation geführt hat.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.12.2019; Aktenzeichen B 1 KR 19/19 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 28.02.2018 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten auch der Berufung trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Strittig ist im Rahmen einer Krankenhausvergütung die Berechnung von Beatmungszeiten.

1. Der bei der Beklagten versicherte C., geboren 1939, verstorben im August 2017 (K.H./Versicherter), wurde in dem nach § 108 SGB V zugelassenen Plankrankenhaus des Klägers vom 02.07. bis 13.07.2015 intensivmedizinisch behandelt. Anlass der stationären Aufnahme war eine Chlostridieninfektion mit schweren Durchfällen und zunehmender Exsikkose. K.H. war vor seiner Aufnahme in einer Wohngruppe für heimbeatmete Patienten untergebracht und aufgrund einer Aspirationspneumonie infolge einer Stammganglienblutung seit Februar 2015 mit einem dilatativen Tracheostoma versorgt. Der Kläger nahm den stationären Aufenthalt des K.H. zum Anlass, diesen von seiner Dauerbeatmung zu entwöhnen. Dazu wurde die druckkontrollierte Beatmung (BIPAP, biphasic positive airway pressure) auf ein druckunterstütztes System umgestellt (CPAP/ASB, continious positive airway pressure/assisted sponteous breathing). Im Beatmungsprotokoll des Klägers ist dokumentiert, dass eine Beatmung des K.H. über BIPAP nur in den ersten beiden Aufnahmetagen erfolgte und dann K.H. über CPAP/ABS beatmet wurde. Ab dem 09.07.2015 atmete K.H. spontan an der Feuchten Nase, phasenweise unterstützt durch Sauerstoff-Insufflation, nachts wurde er über CPAP/ABS beatmet. Der Entwöhnungsversuch führte insoweit zu einer respiratorischen Besserung bei K.H, als tagsüber keine Beatmung mehr erforderlich war. So wurde der Versicherte am 13.07.2015 in die Heimbeatmung entlassen. Nach Aussage des leitenden Oberarztes der Intensivstation des Klägers Dr. K. wäre bei weiterem Verbleiben eine vollständige Entwöhnung erreicht worden.

2. Für den stationären Aufenthalt stellte der Kläger der Beklagten eine Rechnung basierend auf der DRG A11F (Beatmung ≫ 249h) in Höhe von 27.780,99 €. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst und ließ sie anschließend durch den MDK überprüfen. Dieser erkannte die durchgehende intensivmedizinische Versorgungsbedürftigkeit an und kam zu dem Ergebnis, dass nicht die DRG A11F einschlägig sei, sondern die DRG A13 F, da nur Beatmungsstunden von mehr als 95 Stunden in Rechnung zu stellen seien. K.H. sei intermittierend auf der Intensivstation über sein Tracheostoma beatmet worden sei. Es ergäben sich dabei insgesamt 143 Beatmungsstunden aus der Dokumentation der Beatmungsintervalle. Ein Weaningziel mit Einstellung der maschinellen Atemunterstützung sei nicht erkennbar. Daher könnten nur die tatsächlichen Beatmungsphasen als Gesamtbeatmungszeit gezählt werden.

Daraufhin rechnete die Beklagte in Höhe von 12.118,29 € mit unstreitigen Vergütungsansprüchen des Klägers auf.

3. Mit der Klage zum Sozialgericht Regensburg hat der Kläger die weitere Vergütung für die Behandlung des K.H. in Höhe von 12.118,29 € geltend gemacht. K.H. habe gänzlich von seinem Beatmungsgerät diskonnektiert werden können und sei täglich über mehrere Stunden ohne Beatmung gewesen, so dass er auch nach Rückverlegung in seine Wohngruppe nur noch nachts beatmet werden musste. Es liege eindeutig eine Weaning-Situation vor. Dafür reiche eine Reduzierung der Beatmung. Daher seien auch die beatmungsfreien Intervalle zur Abrechnung zu bringen.

Die Beklagte hat erwidert, dass nach den deutschen Kodierrichtlinien (DKR) eindeutig eine Weaning-Situation nicht vorgelegen habe. Bedingt durch seine Vorerkrankung sei bei K.H. die Beatmung gerade nicht beendet worden, es habe sich gezeigt, dass bis zur Entlassung nie ein Zeitraum von 36 Stunden ohne maschinelle Atemunterstützung vorgelegen habe. Atmungsfreie Intervalle könnten nur im Rahmen der Entwöhnung mit Beendigung der Beatmung zur Berechnung der Beatmungsdauer hinzugezählt werden, eine solche Beendigung habe jedoch nicht stattgefunden. Daher ergäben die laut Beatmungsprotokoll dokumentierten Zeiten von über 95 Stunden maschineller Beatmung die DRG A13F.

Das Sozialgericht Regensburg hat der Klage mit Urteil vom 28.02.2018 stattgegeben, im Wesentliche mit dem Argument, die Beatmungsentwöhnung sei auf eine dauerhafte Beendigung der Beatmung ausgerichtet gewesen.

4. Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt und vorgetragen, eine vollständige Entwöhnung der Beatmung sei unwahrscheinlich gewesen, wie weitere stationäre Aufenthalte des K.H. zeigten, somit eine reine Vermutung des Klägers. Da eine respiratorische Stabilisierung des Patienten von länger als 36 Stunden nicht e...

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