Entscheidungsstichwort (Thema)
Landesverband der Krankenkassen. Kompetenzübertragung. Abschluss von Verträgen über die Höhe der Gesamtvergütung. Mitwirkung einzelner Krankenkassen
Orientierungssatz
Ein Landesverband der Betriebskrankenkassen vereinbart im Rahmen der vom Gesetzgeber erteilten Ermächtigung durch Abschluss von Gesamtverträgen die Höhe der Gesamtvergütung mit einer Kassenärztlichen Vereinigung. Eine Mitwirkung einzelner Betriebskrankenkassen oder eine Zustimmung zum Vertragsabschluss ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Streitig ist, ob der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin 5.901.096,20 Euro zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit dem 15.05.2000 als Schadensersatz zu bezahlen.
Die Klägerin, eine bayerische Betriebskrankenkasse, hat durch ihren früheren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 11.05.2000 Klage zum Sozialgericht München wegen Schadensersatzes gegen den Beklagten erhoben. Es stelle für sie eine unbillige Härte dar, dass der Vereinbarung über die Gesamtvergütung für vertragsärztliche Versorgung Kopfpauschalen zugrunde gelegt werden, die aus dem Jahre 1991 fortgeschrieben würden und nicht mehr den tatsächlichen Leistungen für die Mitglieder entsprächen. Der Beklagte kenne das Problem seit Jahren, die Klägerin habe ihn auch schriftlich darauf hingewiesen, der Beklagte sei aber untätig geblieben. Dadurch seien die wohlverstandenen Interessen der Klägerin verletzt worden und Schaden in der geltend gemachten Höhe in den Jahren 1997 bis 1999 entstanden. Der Beklagten erwiderte am 22.10.2000 u.a., bis einschließlich 1999 habe er im Rahmen einer Vertragsarbeitsgemeinschaft mit den anderen Regionalkassen Bayerns Gesamtverträge mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abgeschlossen. Für den Komplex der ambulanten ärztlichen Versorgung, aber auch nur für ihn, seien seit 1993 Kopfpauschalen zugrunde gelegt worden, die jeweils unter Berücksichtigung der durchschnittlichen Veränderung der beitragspflichtigen Einnahmen aller Kassen bzw. Kassenarten angepasst wurden. Wenn die Klägerin nun verlange, dass eine Neuberechnung der Kopfpauschale innerhalb des Betriebskrankenkassensystems hätte stattfinden sollen, argumentiere sie zwar aus ihrer individuellen Sicht verständlich, diese Sicht stimme aber mit dem Interesse des Betriebskrankenkassensystems insgesamt, das der Beklagte zu wahren habe, nicht überein. Eine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin, die vorsätzlich oder fahrlässig hätte begangen werden müssen, sei nicht ersichtlich. Außerdem sei die Schadenshöhe nicht nachvollziehbar.
Im Schreiben vom 19.09.2001 leiteten die neuen Bevollmächtigten der Klägerin ihre Forderung aus einer öffentlich-rechtlichen Positiven Forderungsverletzung ab, die - durch Rechtsfortbildung geschaffen und gewohnheitsrechtlich verfestigt - im Rahmen öffentlich-rechtlicher Schuldverhältnisse zur Anwendung gelange. Ein solches Schuldverhältnis sei nach ständiger Rechtsprechung vor allem dann anzunehmen, wenn ein besonders enges Verhältnis einer (natürlichen oder juristischen) Person zu einem Träger öffentlicher Gewalt besteht, insbesondere wenn das Handeln des öffentlich-rechtlichen Trägers im Rahmen des betreffenden Rechtsverhältnisses Ausfluss einer fürsorgerischen Tätigkeit im Bezug auf die einzelne Person darstelle und mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung ein Bedürfnis für eine angemessene Verteilung der Verantwortung innerhalb des öffentlichen Rechts bestehe. Das zwischen der geschädigten Klägerin und der beklagten Körperschaft erforderliche besonderes enge, über die allgemeinen deliktischen Rechte und Pflichten hinausgehende, gleichsam fürsorgerische Verhältnis sei mit Blick auf die Zwangsmitgliedschaft der Klägerin im Landesverband und die nach dem Gesetz durch den Landesverband zu Gunsten bzw. zu Lasten der Betriebskrankenkassen auszuhandelnden Gesamtverträge über Vergütungsleistungen gegeben. Auch eine objektive Pflichtverletzung des Beklagten liege vor. Er habe mit den konkret getroffenen Vertragsabschlüssen entgegen seiner Fürsorgepflicht, die für ihn gegenüber allen Zwangsmitgliedern bestehe, zusammen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Vertragsregelungen getroffen, die evident nicht für eine möglichst sachgerechte Aufteilung der gesamten Vergütungsleistungen innerhalb der einzelnen Kassen im Verhältnis zueinander sorge. Der unverhältnismäßigen Benachteiligung der im Bezugszeitraum stark wachsenden Klägerin stehe eine massive, sachlich nicht gerechtfertigte Entlastung einiger anderer Betriebskrankenkassen gegenüber. Die Umstellung der Kopfpauschalenregelung auf Einzelleistungsvergütung hätte durchgeführt werden müssen. Es gehe nicht um die Höhe der Gesamtvergütung, welche die Kassenärztliche Vereinigung insge...