Verfahrensgang

SG Nürnberg (Urteil vom 13.12.1973; Aktenzeichen S 9/Al 140/73)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.04.1977; Aktenzeichen 7 RAr 81/75)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.12.1973 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Arbeitsamts Nürnberg vom 23.7.1973 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.10.1973 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld vom 1.4.1973 ab zu gewähren.

2. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil wird zurückgewiesen.

3. Der Bescheid des Arbeitsamts Nürnberg vom 20.3.1974 wird aufgehoben.

4. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren darüber, ob die Klägerin in der Zeit vom 1.4. bis 30.9.1973 die Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) erfüllt hatte bzw. ob dieser Anspruch geruht hat und ob dieser Anspruch darüber hinaus in der Zeit vom 1.10.1973 bis 31.3.1974 jeweils an den ersten drei Tagen des Monats gemäß § 117 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) geruht hat.

Die am … 1914 geborene Klägerin war vom 19.7.1938 bis 31.3.1973 als kfm. Angestellte, zuletzt in der Lagerbuchhaltung, bei der S. AG beschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis konnte nach § 2 Ziff. 4 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für die Angestellten der bayerischen Metallindustrie durch den Arbeitgeber nur aus wichtigem Grunde gekündigt werden. Die S. AG kündigte das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Betriebsrates unter Berufung auf Rationalisierungsmaßnahmen am 29.7.1972 zum 31.3.1973. Seit dem 1.4.1973 erhält die Klägerin von der S. Altersfürsorge GmbH Ruhegeld in Höhe von 184,– DM monatlich. Die gleiche Einrichtung gewährte der Klägerin zusätzlich für die ersten 6 Monate nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb einen Übergangszuschuß von monatlich 1281,– DM, der der Differenz zwischen dem Ruhegeld und dem zuletzt gewährten Brutto-Arbeitsentgelt entsprach.

Die Beklagte lehnte es durch Bescheid vom 23.7.1973 ab, für die Zeit vom 1.4.1973 bis 21.10.1973 Arbeitslosengeld zu gewähren, da der Anspruch wegen der aus Anlaß des Ausscheidens gewährten Bezüge – des Übergangszuschusses für 6 Monate und des Ruhegeldes für 12 Monate – während eines Zeitraumes von 204 Kalendertagen ruhe. Außerdem ruhe der Anspruch vom 1. bis 28.4.1973 wegen des Eintritts einer Sperrzeit. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.

Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte, der Klägerin vom 1. bis 21.10.1973 Alg zu gewähren und wies im übrigen die Klage ab. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: In der Zeit vom 1.4. bis 30.9.1973 habe die Klägerin der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestanden, da sie nicht bereit gewesen sei, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die sie ausüben konnte. Dies folge daraus, daß die unkündbar gewesene Klägerin trotz des Fehlens eines wichtigen Grundes der Kündigung zugestimmt und bis zum 30.9.1973 Übergangsbezüge in der Höhe ihres bisherigen Arbeitseinkommens erhalten habe. Die Arbeitslosmeldung allein beweise unter diesen Umständen die Arbeitsbereitschaft nicht; darüber hinaus habe sich die Klägerin nicht selbst um Arbeit bemüht.

Der Ruhenstatbestand des § 117 Abs. 2 AFG sei jedoch nicht erfüllt. Der Übergangszuschuß sei eine freiwillige soziale Leistung, die von der S. Altersfürsorge GmbH unstreitig an alle Betriebsangehörigen bei Beendigung der Beschäftigung, sofern sie mindestens 10 Jahre der Firma angehörten und beim Ausscheiden das 55. Lebensjahr vollendet hätten, gewährt werde. Dabei sei ohne Bedeutung, ob die Beschäftigten in den Ruhestand träten oder die Beschäftigung aus anderen Gründen aufgäben. Die Leistung werde unstreitig nicht nur bei vorzeitiger. Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, sondern sogar normalerweise beim Ausscheiden der Betriebsangehörigen wegen Erreichung der Altersgrenze gewährt. Es handle sich daher um keine Leistung wegen der Arbeitsaufgabe oder um eine Abfindung von Ansprüchen auf Arbeitsentgelt. Vielmehr handle es sich um ein Treuegeld, das lediglich anläßlich der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zugebilligt worden sei und nicht als Leistung im Sinne des § 117 Abs. 2 AFG aufgefaßt werden könne. Dies folge auch daraus, daß anderweitiges Arbeitseinkommen auf den Übergangszuschuß nicht angerechnet worden wäre.

Gegen dieses Urteil, haben beide Beteiligte Berufung eingelegt. Die Beklagte hat durch Änderungsbescheid vom 20.3.1974 nunmehr auch die Verfügbarkeit der Klägerin für die Zeit vom 1.4.1973 bis 30.9.1973 verneint und vom 1.10.1973 bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer das Ruhen des Anspruches auf Alg jeweils vom 1. bis 3. eines jeden Monats wegen des für diese Zeit vom Arbeitgeber gewährten Ruhegeldes festgestellt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts insoweit aufzuheben, als die Verfügbarkeit für 6 Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verneint worden ist, den Änderungsbescheid der Beklagten vom 20.3.1974 aufzu...

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