Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Feststellung des GdB. Einzel-GdB. Schlafapnoe-Syndrom
Leitsatz (amtlich)
Ein Schlafapnoe-Syndrom kann nur dann mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet werden, wenn eine nasale Überdruckbeatmung (nCPAP-Therapie) notwendig ist, diese aber aus objektiven Gründen (zB Gesichtsschädelanomalie) nicht durchführbar ist.
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11. März 2009 sowie der Bescheid vom 19. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Oktober 2008 abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, ab Januar 2010 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger 3/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grads der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht.
Für den 1941 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 06.12.1999 ein GdB von 50 festgestellt (Einzel-GdB 50 für Hauterkrankung in Heilungsbewährung, Einzel-GdB 10 jeweils für Schlafapnoe-Syndrom, Wirbelsäulensyndrom, psychovegetatives Syndrom). Nach einer Begutachtung im anschließenden Klageverfahren (S 11 SB 288/00) schlossen die Beteiligten am 11.07.2001 einen gerichtlichen Vergleich über einen GdB von 60. Das psychovegetative Syndrom mit Aufmerksamkeitsstörung wurde dabei mit einem Einzel-GdB von 30 zugrunde gelegt. Nachdem der Kläger wegen des Ausdrucks Aufmerksamkeitsstörung Widerspruch gegen den Ausführungs-Bescheid vom 22.08.2001 eingelegt hatte, erteilte der Beklagte den Abhilfe-Bescheid vom 26.11.2001, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 02.08.2002. Die Einzelheiten des gerichtlichen Vergleichs beachtend wurden nunmehr die für den GdB 60 maßgeblichen Gesundheitsstörungen wie folgt bezeichnet:
1. Hauterkrankung in Heilungsbewährung
2. Schlafapnoe-Syndrom, psychovegetatives Syndrom
3. Wirbelsäulen-Syndrom.
Wegen der in Heilungsbewährung festgestellten Hauterkrankung veranlasste der Beklagte im Sommer 2002 die notwendige Nachprüfung. Nach Anhörung des Klägers setzte er den GdB auf 30 herab und erläuterte, dass sich die für den Bescheid vom 26.11.2001 maßgeblichen Gesundheitsstörungen durch Wegfall der Gesundheitsstörung Hauterkrankung in Heilungsbewährung wesentlich geändert hätten. Jetzt lägen die Gesundheitsstörungen Schlafapnoe-Syndrom/ psychovegetatives Syndrom und Wirbelsäulensyndrom vor. Dem Antrag vom 18.11.2001 auf Feststellung der Hyperventilation könne nicht entsprochen werden, weil die damit verbundenen Einschränkungen keinen GdB von wenigstens 10 bedingen würden (Änderungs-Bescheid vom 10.01.2003, Widerspruchsbescheid vom 04.07.2003). Die Klage gegen die Herabsetzung des GdB auf 30 (S 13 SB 554/03) wurde mit Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.05.2005 abgewiesen. Der internistische Sachverständige Dr. S. hatte das Schlafapnoe-Syndrom mit Einzel-GdB 10 bewertet.
Im Berufungsverfahren (L 18 SB 103/05) beantragte der Kläger die Festsetzung eines GdB von 60 seit 1982. Er beanstandete, dass der Beklagte nach dem gerichtlichen Vergleich vom 11.07.2001 über einen GdB von 60 kein Recht gehabt habe, eine Überprüfung vorzunehmen und den GdB herabzusetzen. Weiter schilderte er einen Vorfall im Jahr 1982, als er schlafend am Arbeitsplatz vorgefunden worden sei und deswegen eine Abmahnung bekommen habe. Er habe natürlich nicht geschlafen, vielmehr seien sein Organismus und auch das Gehirn wegen einer Nasenverengung nicht genügend beatmet worden. Durch die mangelnde Beatmung dürften etliche Gehirnzellen abgestorben sein. Die notwendige Operation sei zwischenzeitlich durchgeführt worden. Wenn man jahrzehntelang mit einem solchen Problem kämpfe, sei das Immunsystem irgendwann am Ende. Er sei also von mindestens 1982 bis zum Zeitpunkt der Operation behindert gewesen, weil er nicht genügend Atemluft bekommen habe. Der Sachverständige Dr. L. bewertete die seit Dezember 2004 bekannte mittelgradige Schlafatemstörung mit CPAP-Indikation (Arztbrief des Dr. B., Schlaflabor in der R.Klinik, vom 03.12.2004) bei nicht durchführbarer CPAP-Therapie mit einem Einzel-GdB von 50. Er ging davon aus, dass die regelmäßige Anwendung der Überdruckbeatmung vom Kläger trotz wiederholter Versuche nicht toleriert worden sei, wobei er auf Nachfrage feststellte, dass anatomische Besonderheiten, die die nasale Überdruckbeatmung unmöglich machen würden, beim Kläger nicht vorlägen. Den Gesamt-GdB veranschlagte er auf 60 (Gutachten vom 19.02.2007, ergänzende Stellungnahme vom 24.10.2007). Das daraufhin vom Beklagten unterbreitete Vergleichsangebot über einen Gesamt-GdB von 40 ab November 2004 berücksichtigte die Gesundheitsstörung Schlafapnoe-Syndrom/ chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 20. Erläutert wurde, dass es dem Kläger grundsätzlich möglich sei, eine Atemmaske zu benützen, da, wie der Sachverständige bestätigt habe, keine anatomischen Besonderheiten vorlägen, die eine ...