Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente: Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen eines Anspruchs auf Erwerbsminderungsrente.
Orientierungssatz
Bei der Frage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt, sind grundsätzlich alle qualitativen Einschränkungen zu berücksichtigen, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichte Arbeit" erfasst werden. Es umfasst begrifflich unter anderem solche Leistungseinschränkungen, die das Seh- und Hörvermögen, die Handbeweglichkeit oder die Einwirkung bestimmter Witterungseinflüsse (Kälte, Nässe, Staub) betreffen.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 19. August 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1962 geborene Kläger hat nach seinen eigenen Angaben keine Berufsausbildung absolviert. Er war von 1979 bis 1990 als Stapler- und Kranfahrer sowie Kommissionierer und von 1990 bis 2005 als LKW-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitsunfähig bzw. arbeitslos.
Der Kläger begehrte erstmals mit Antrag vom 4. Oktober 2006 Rente wegen Erwerbsminderung. Nachdem die von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. Z. noch ein Leistungsvermögen des Klägers von 6 Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt festgestellt hatte, lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 8. Januar 2007 ab. Nach erfolgloser Durchführung des Widerspruchsverfahrens (Widerspruchsbescheid vom 27. März 2007) erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (Az. S 3 R 1431/07). Der vom Sozialgericht Ulm beauftragte Orthopäde Dr. B. bescheinigte dem Kläger noch ein Leistungsvermögen von 6 Stunden und mehr für leichte, gelegentlich auch mittelschwere Arbeiten. Die Klage wurde daraufhin mit Urteil vom 7. Mai 2008 abgewiesen.
Mit Antrag vom 19. Februar 2009 begehrte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten unter Hinweis auf Gesundheitsstörungen an der Wirbelsäule (Bandscheibenvorfälle HWS und LWS, Spondylosis BWS) sowie einer geringen Belastbarkeit aufgrund hohen Blutdrucks.
Die Beklagte holte nach Beiziehung diverser Befundberichte zunächst ein orthopädisches Gutachten von Dr. Sch. vom 2. Juli 2009 ein. Der Sachverständige diagnostizierte beim Kläger ein HWS-Syndrom ohne neurologische Ausfälle, eine Omalgie beidseits ohne Bewegungseinschränkung, ein fragliches CTS links, ein LWS-Syndrom mit ischialgieformer Ausstrahlung ohne neurologische Ausfälle, eine Coxalgie beidseits, Senk-Spreizfüße beidseits, eine Adipositas sowie eine hochgradige Somatisierungsstörung bei fraglicher Depression. Der Kläger sei aus orthopädischer Sicht noch in der Lage, als LKW-Fahrer sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Arbeiten 6 Stunden und mehr zu verrichten. Eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung sei erforderlich.
Der daraufhin von der Beklagten mit der Erstellung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragte Neurologe und Psychiater S. stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest:
1. Schwerwiegendes Ellbogenrinnen-Syndrom mit Parese der vom Ellennerven innervierten Unterarm- und Handmuskulatur links
2. Cervicobrachialsyndrom mit Wurzelreizsymptomatik
3. Lumboischialgie mit Wurzelreizsymptomatik ohne Paresen
4. Ausgeprägte Somatisierungsstörung
5. Teilkomponente im Sinne einer anhaltend somatoformen Schmerzstörung
6. Akzentuierte Persönlichkeit mit somatoformen Reaktionsmustern
7. Hinweise auf phobischen Schwankschwindel
8. Periarthropathia humeroscapularis links betont.
Der Kläger sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden und mehr leichte Tätigkeiten sitzend zu verrichten. Nicht mehr zumutbar seien besondere Belastungen beider Hände, dauerndes Gehen und Stehen, häufiges Klettern, Steigen, Bücken, Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten an ungeschützt laufenden Maschinen, über Schulter-/Kopfhöhe oder mit Absturzgefahr, Gefährdung durch Kälte, Hitze, starke Temperaturschwankung, Zugluft und Nässe, Schichtbedingungen und besonderer Zeitdruck.
Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit angefochtenem Bescheid vom 24. September 2009 ab. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei bereits seit November 2005 im Krankenstand. Arbeitsaufnahmen seien aufgrund seiner ständigen heftigen Schmerzen gescheitert. Er legte eine ärztliche Bescheinigung des praktischen Arztes Dr. G. vor, wonach das gesamte Krankheitsbild nur äußerst schwer zu beeinflussen sei. Die Arbeitsfähigkeit sei sehr problematisch zu sehen. Nach Einholung einer Stellungnahme des sozialmedizinischen Dienstes, in der eine erneute Begutachtung nicht empfohlen wurde, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2010 zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Aug...