Leitsatz (amtlich)
Der Kläger hat eine zeitliche Minderung seines Leistungsvermögens nachzuweisen. Für diesen Nachweis bedarf es der vollen Überzeugung des Gerichts. Ausreichend ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Verbleiben begründete Zweifel, so geht dies zu Lasten des Klägers, denn der Rentenbewerber trägt die objektive Beweislast für die gesundheitlichen Einschränkungen bzw. deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.03.2020 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.
Der 1980 geborene Kläger beendete im Jahr 1999 mit Erfolg die Ausbildung zum Koch. In der Zeit von 2004 bis 2006 absolvierte er eine Umschulung zum Winzer und war bis 2013 in diesem Beruf tätig. Zuletzt war er im Betrieb seiner Schwester (Landgasthof mit Weingut) beschäftigt. Seit dem 11.07.2017 bestand Arbeitsunfähigkeit. Nach Ende des Krankengeldbezuges erhielt der Kläger Arbeitslosengeld bis zum 15.07.2019.
Der Neurologe und Psychiater K erstellte am 13.10.2014 ein Gutachten für eine private Versicherung. Danach sei der Kläger aufgrund der Befundkonstellation auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht einsetzbar. Als führende Diagnose war eine bipolare affektive Störung, zuletzt schwere depressive Episode (F31.4) angegeben.
Erstmals beantragte der Kläger am 18.11.2014 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Dies lehnte die Beklagte nach Einholung eines Gutachtens des Psychiaters M mit Bescheid vom 28.01.2015 und Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 ab. Im nachfolgenden Klageverfahren S 10 R 403/15 hörte das Sozialgericht Würzburg nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater K1 mit Gutachten vom 18.12.2015 und nach § 109 SGG den Psychiater B mit Gutachten vom 30.03.2016. Beide Sachverständigen stellten beim Kläger eine bipolare affektive Störung mit gegenwärtig leichter depressiver Episode (F31.3) und eine Leistungsfähigkeit von mehr als 6 Stunden täglich fest. K1 wies darauf hin, dass sich in der Testpsychologie eine deutliche Tendenz zur negativen Antwortverzerrung und Inkonsistenzen zwischen Selbst- und Fremdbeurteilung der depressiven Symptomatik gezeigt hätten. Die Klage nahm der Kläger mit Schreiben vom 25.04.2017 zurück.
Der Kläger befand sich in der Zeit vom 06.02.2017 bis 05.04.2017 zur stationären Behandlung in der Psychosomatischen Klinik W. Entlassdiagnose war: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig mittelgradige depressive Episode. Zum Therapieverlauf und den erreichten Zielen war angegeben, dass das Therapieergebnis auf Symptomebene in Übereinstimmung mit dem Kläger als "gebessert" einzuordnen sei. Da der Kläger unter der noch bestehenden Symptomatik leide und insgesamt von einer anhaltenden Beeinträchtigung auszugehen sei, werde dringend eine langfristig ausgelegte ambulante Psychotherapie empfohlen. Des Weiteren werde die Etablierung einer gesetzlichen Betreuung für die Regelung der finanziellen Angelegenheiten empfohlen.
Mit gutachterlicher Stellungnahme vom 14.11.2017 für die Agentur für Arbeit B-Stadt stellte die Psychiaterin G nach Untersuchung fest, der Kläger könne voraussichtlich über sechs Monate, aber nicht auf Dauer, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich nur weniger als drei Stunden leistungsfähig sein. Es bestehe eine Einschränkung der psycho-physischen Leistungsfähigkeit aufgrund einer schweren seelischen Minderbelastbarkeit. Im Vordergrund stünden Störungen der Affektregulation. Stresstoleranz und psychische Belastbarkeit seien durch eine episodenhaft verlaufende psychiatrische Erkrankung eingeschränkt. Aktuell bestehe kein ausreichendes Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Eine Intensivierung der laufenden Therapiemaßnahmen, ggf. stationär, sei vorrangig. Als Diagnosen waren genannt: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode (F31.4), Obstruktive Schlafapnoe (G47.3).
Am 11.12.2017 stellte der Kläger, vertreten durch seinen damaligen Betreuer, einen erneuten Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte das vom Psychiater M erstellte Gutachten vom 07.02.2018 ein. Der Kläger leide im Wesentlichen unter einer bipolaren affektiven Störung, derzeit leichte depressive Episode (F31.3 G), und unter einem Schlafapnoe-Syndrom mit erhöhter Tagesmüdigkeit. Im psychischen Befund hätten sich Hinweise auf eine bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenz mit negativer Antwortverzerrung gezeigt. Wegen Nichterfüllung der medizinischen Voraussetzungen lehnte die Beklagte mit dem hier streitigen Bescheid vom 09.02.2018 den Antrag ab.
Im Widerspruchsverfahren bezog sich der Bevollmächtigte des Klägers auf einen Bericht des F vom 18.05.2018 (der Kläger leide unter einer andauernden depressiven Symptomatik; es imponiere eine ausgeprägte Müdigkeit und Erschöpfung, verstärkt...