Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Arbeitslosengeld II: Sanktion wegen Abschluss eines Aufhebungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Der Abschluss eines Aufhebungsvertrages stellt eine Weigerung der Fortführung einer Arbeit iSv § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II auch dann dar, wenn das Arbeitsverhältnis unabhängig davon zeitnah durch den Arbeitgeber gekündigt werden könnte.
2. Wird ein vom Leistungsberechtigten abverlangtes Verhalten bereits von § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II erfasst, so bleibt für die Anwendung von § 31 Abs 2 Nr 4 SGB II kein Raum mehr.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2017 wird zurückgewiesen.
II. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.08.2017 dahingehend abgeändert, dass der Bescheid vom 23.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2016 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 24.08.2016 und 18.01.2018 verurteilt wird, der Klägerin für Juni bis August 2016 monatlich jeweils weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 109,20 € zu zahlen.
III. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Minderung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit von Juni bis August 2016.
Die Klägerin bezieht zusammen mit ihrem Ehemann Alg II vom Beklagten. Am 01.02.2016 nahm sie eine Beschäftigung in der Pension F. als Zimmermädchen und Frühstückskraft mit einem Bruttomonatslohn von 510 € auf. Im Hinblick darauf bewilligte der Beklagte nach einem Weiterbewilligungsantrag mit Bescheid vom 18.02.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.05.2016 vorläufig Alg II für die Zeit von Februar bis Juli 2016. Mit Aufhebungsvertrag vom 04.04.2016 wurde der mündliche Arbeitsvertrag bezüglich des Beschäftigungsverhältnisses rückwirkend zum 31.03.2016 aufgehoben. Mit Schreiben vom 07.04.2016, welches die Klägerin nach eigenen Angaben (zunächst) nicht erhalten haben will, hörte der Beklagte die Klägerin zu einer Minderung des Alg II wegen der Arbeitsaufgabe an. Ab 01.05.2016 nahm die Klägerin einen Minijob mit maximal 330 € Bruttomonatslohn als Reinigungskraft in der Pension A. auf. Mit Bescheid vom 23.05.2016 stellte der Beklagte die Minderung des Alg II der Klägerin für die Zeit von Juni bis August 2016 um 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs - 109,20 € monatlich - fest und hob insoweit auch die Leistungsbewilligung für Juni und Juli 2016 nach § 48 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Die Klägerin habe trotz Kenntnis der Rechtsfolgen ihr Beschäftigungsverhältnis bei der Pension F. einvernehmlich mit Aufhebungsvertrag beendet. Einen wichtigen Grund hierfür habe sie nicht mitgeteilt. Die Sanktion folge aus § 31 Abs 1 Nr 2 SGB II. Entsprechend dem Sanktionsbescheid wurde unter Berücksichtigung der Minderung um 109,20 € monatlich mit Bescheid vom 24.08.2016 endgültig Alg II iHv 477,17 € für Juni 2016 und iHv 203,23 € für Juli 2016 sowie mit Bescheid vom 18.01.2018 endgültig Alg II iHv 268,80 € für August 2016 bewilligt. Einen Sanktionsbescheid vom 29.06.2016, mit dem für den Zeitraum August bis Oktober 2016 das Alg II der Klägerin ebenfalls gemindert werden sollte, hielt der Beklagte nach seinem Schreiben vom 09.11.2016 nicht weiter aufrecht.
Gegen den Bescheid vom 23.05.2016 legte die Klägerin Widerspruch ein. Das Beschäftigungsverhältnis sei aufgehoben worden, weil die Ehefrau des Inhabers sie nicht mehr habe beschäftigen wollen. Ab 01.05.2016 habe sie eine neue Beschäftigung aufgenommen und sei auch sonst ständig um eine Teilzeit- oder Vollzeitbeschäftigung bemüht. Zur Sanktion sei sie nicht angehört worden und habe das Anhörungsschreiben erst im Widerspruchsverfahren erhalten. Zwar sei es zutreffend, dass das Arbeitsverhältnis durch den Aufhebungsvertrag gelöst worden sei, sie sei aber bereits zuvor mündlich gekündigt worden. Zwar sei diese Kündigung nicht wirksam, es komme darin aber der Wille des Arbeitgebers zum Ausdruck, an dem Arbeitsverhältnis nicht mehr festhalten zu wollen. Es hätte eine ordentliche Kündigung unproblematisch ausgesprochen werden können. Das Kündigungsschutzgesetz finde keine Anwendung, da beim Arbeitgeber weniger als zehn Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien. So sei die Beendigung des Arbeitsverhältnisses unvermeidbar gewesen. Gründe für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses seien ihr unbekannt. Vermutlich sei nicht genug Arbeit gewesen, um sie sozialversicherungspflichtig zu beschäftigen. So habe sie teilweise auch im Privathaushalt der Inhaber gearbeitet oder eher sinnlose Arbeiten im Malergeschäft verrichten müssen. Sie habe weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten, noch habe der Arbeitgeber seine Pf...