Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. haftungsbegründende Kausalität. Nachweis. erhöhtes Infektionsrisiko. Beweiserleichterung. Hepatitis-C-Erkrankung. Nadelstichverletzung beim Abräumen eines Essenstabletts im Krankenhaus
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer aktiven Hepatitis-C-Erkrankung eines Versicherten, der sich im Krankenhaus beim Abräumen eines Essenstabletts eines Patienten an der dort abgelegten und gebrauchten Spritzenkanüle verletzte, als Folge eines Arbeitsunfalles.
2. Die für die Berufskrankheiten im Merkblatt zu BKV Anl Nr 3101 angeführten Beweiserleichterungen sind auch auf Arbeitsunfälle übertragbar.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Bescheid der Beklagten vom 14.03.2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2002 und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 09.03.2004 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, beim Kläger die Hepatitis C-Erkrankung als Folge eines Arbeitsunfalls anzuerkennen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung des Ereignisses vom 08.06.1999 als Arbeitsunfall streitig.
Der 1970 geborene Kläger war seit 15.10.1998 bei der Firma A. Catering beschäftigt. Seine Tätigkeit umfasste im Verbundkrankenhaus D./F. das Abräumen von Essenstabletts sowie den Transport und das Ausräumen von Essenswaren.
Er stellte sich am 25.04.2001 bei dem Durchgangsarzt Dr. S. vor und gab an, bei dieser Arbeit etwa im Juni 1999 beim Abräumen von Essenstabletts in eine gebrauchte Kanüle gegriffen und sich dabei an der linken Hand verletzt zu haben. Der Oberarzt des Verbundkrankenhauses und Internist Dr. S. hatte am 30.11.2000 - im Rahmen einer betriebsmedizinischen Untersuchung - bei dem Kläger eine aktive Hepatitis-C-Infektion festgestellt. Er hielt die vom Kläger vorgebrachte Infektionsmöglichkeit durch eine Stichverletzung für medizinisch nachvollziehbar; sie stelle eine typische Infektionssituation dar.
Der behandelnde Internist Dr. F. teilte der Beklagten auf Anfrage mit Schreiben vom 11.08.2001 mit, dass der diskutierte Infektionsweg über eine Injektionskanüle und der Infektionszeitpunkt Juni 1999 als Ursache der bestehenden Hepatitis C plausibel seien. Anamnestisch und klinisch seien keinerlei Hinweise für alternative Infektionswege vorhanden.
Im Gesundheitsausweis des Staatl. Gesundheitsamtes A. vom 23.10.1998 waren für den Kläger keine Hinderungsgründe für die Aufnahme einer Tätigkeit im Krankenhaus enthalten.
Die Zeugin G., damals Diätassistentin im Krankenhaus, bestätigte mit Schreiben vom 24.08.2001 den Vorgang. Sie sei nicht Augenzeuge des vom Kläger geschilderten Vorfalls gewesen, habe aber Kenntnis durch den Kläger persönlich bekommen. Die Einstichstelle habe sie aufgrund der geringen Größe und der Tatsache, dass der Kläger Handschuhe getragen habe, nicht gesehen. Der Kläger habe die gebrauchte Kanüle zu ihr in das Büro gebracht. Er habe ihr erzählt, dass er sich an dieser Kanüle gestochen habe. Sie sei auf einem gebrauchten Essenstablett gelegen und er hätte sich beim Abräumen dieses Tabletts verletzt. Da die Verletzung nicht akut geblutet habe, sei sie nicht direkt in der Küche versorgt worden. Sie habe den Kläger aber darauf hingewiesen, die Ambulanz aufzusuchen, um sich untersuchen und kundig behandeln zu lassen. Ihr sei aber nicht bekannt, ob der Kläger die Ambulanz oder einen anderen Arzt aufgesucht habe. Der Unfall sei im unreinen Bereich der Krankenhausküche passiert.
Mit Schreiben vom 08.08.2001 teilte der Krankenhausdirektor des Verbundkrankenhauses D. der Beklagten mit, es komme vor, dass Patienten sich als Trainingsmaßnahme selbst Heparin injizierten und dann die Spritzen aus Unkenntnis auf den Tabletts ablegten. Die Kontamination der Kanüle mit Hepatitis-C-Erregern könne grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden, da nicht alle Patienten generell auf Hepatitis C untersucht werden. Jedes Blut sei prinzipiell infektionsverdächtig.
Mit Bescheid vom 14.03.2002 lehnte die Beklagte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Vorfalls vom 08.06.1999 ab. Es sei fraglich, ob zwischen der versicherten Tätigkeit, dem behaupteten Unfallereignis und der festgestellten Gesundheitsstörung ein ursächlicher Zusammenhang bestehe. Der Zeitpunkt der Infektion lasse sich zeitlich nicht eingrenzen. Der Nachweis, dass die Kanüle mit infizierten Blut behaftet gewesen sei, habe nicht erbracht werden können. Es fehle am konkreten Nachweis der Infektionsquelle und des Infektionszeitpunktes. Dem Krankenhaus D. seien im angeschuldigten Zeitraum keine Hepatitis C-Patienten bekannt gewesen (bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 01.08.2002).
Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben und beantragt...