Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der gerichtlichen Überprüfung eines Vertrags über eine integrierte Versorgung der Versicherten
Leitsatz (amtlich)
1. Ob Verträge die Voraussetzungen der §§ 140 a ff. SGB V erfüllen, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle. Der Prüfungsmaßstab ist insoweit nicht auf die Angaben der Krankenkasse gegenüber der BQS beschränkt.
2. Verträge sind dann keine IV Verträge, wenn die darin geregelte Versorgung nur auf die Regelversorgung aufsetzt, diese jedoch nicht - auch nicht in Teilen - ersetzt.
Orientierungssatz
1. Die Verträge zur integrierten Versorgung nach § 140 a SGB 5 legen die Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen fest. Die von einer Krankenkasse nach § 140 d Abs. 1 SGB 5 einbehaltenen Mittel dürfen ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140 c Abs. 1 SGB 5 vereinbarten Vergütungen verwendet werden.
2. Im Streitfall ist der Vertrag vom Gericht daraufhin zu überprüfen, ob ein Vertrag vorliegt, der eine integrierte Versorgung zum Gegenstand hat. Der Prüfungsmaßstab des Gerichts umfasst die Prüfung des gesamten Vertrags. Er ist nicht auf die Angaben der Krankenkasse gegenüber der Gemeinsamen Registrierungsstelle (BQS) beschränkt.
3. Verträge zur integrierten Versorgung i. S. von § 140 a Abs. 1 SGB 5 können nur über eine interdisziplinär-fachübergreifende oder über eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung geschlossen werden.
4. Über das Erfordernis einer verschiedene Leistungssektoren übergreifenden Versorgung hinaus sind Verträge der in § 140 b Abs. 1 SGB 5 genannten Vertragspartner nur dann solche der integrierten Versorgung, wenn durch sie auch Leistungen, die bisher Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, künftig ersetzt werden, vgl. BSG, Urteil vom 06. Februar 2008 - B 6 KA 27/07 R.
5. Kann einem zur integrierten Versorgung der Versicherten geschlossenen Vertrag nicht entnommen werden, wie die einzelnen Leistungserbringer vertraglich verpflichtet werden und welche Pflichten sie konkret zu übernehmen haben, so entspricht ein solcher Vertrag nicht den Anforderungen an eine integrierte Versorgung i. S. der §§ 140 a ff. SGB 5.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.01.2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Einbehalt von Gesamtvergütungsanteilen des Quartals 4/04 in Höhe von 39.734,21 €. Der Einbehalt basiert auf dem als "Vertrag über eine integrierte Versorgung nach § 140a SGB V für Versicherte der DAK zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit Chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD I)" bezeichneten Vertrag (im Folgenden "COPD-Vertrag").
Die Beklagte hat nach Auskunft der Gemeinsamen Registrierungsstelle BQS (Bundesgeschäftsstelle Qualitätssicherung) mit dem Pneumologischen Netzwerk Südbayern e.V. zum 01.10.2004 einen Vertrag über eine integrierte Versorgung nach § 140a SGB V für DAK-Versicherte zur Verbesserung der Versorgung von Patienten mit Chronisch obstruktiver Bronchitis und Lungenemphysem (COPD I) abgeschlossen (BQS Nr. 00089). Vertragsgegenstand ist danach die Indikation Chronisch obstruktive Bronchitis und Lungenemphysem (COPD). Der Vertrag sieht als Vergütungsform eine leistungsabhängige Modulvergütung vor. Der Auskunft der BQS ist ein geschätztes Vergütungsvolumen für die Klägerin i.H.v. 116.930,00 € zu entnehmen sowie eine geschätzte Anzahl von 75 teilnehmenden Versicherten für den Zeitraum 01.10.2004 bis 31.12.2004. Zur Anschubfinanzierung hatte die Beklagte im Quartal 4/04 den streitgegenständlichen Betrag einbehalten.
Am 23.12.2008 erhob die Klägerin wegen dieses Einbehalts Klage zum Sozialgericht München (SG). Die Voraussetzungen für den Einbehalt seien nicht erfüllt, da es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag nicht um einen Vertrag zur integrierten Versorgung im Sinne von §§ 140a ff. SGB V handle. Der Vertrag beinhalte weder eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung noch eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung. Die ambulanten Behandlungsmodule stellten im Vergleich zur Regelversorgung Add-on Leistungen dar, die zusätzlich erbracht, aber nicht die Regelversorgung ersetzen würden. Darüber hinaus würden die ambulanten Module nicht vollständig über den Vertrag vergütet. Die neben den Modulen notwendigen Behandlungsmaßnahmen der Fachärzte für Lungen- und Bronchialheilkunde würden wie üblich über die Klägerin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung vergütet. Dies entspräche nicht den Vergütungsvorgaben in § 140 c SGB V. Die Beklagte habe es versäumt, ausreichend geeignete Vertragsauszüge vorzulegen, die den vereinbarten Versorgungsauftrag und die Kriterien eines IV-Vertrages belegten.
Die Beklagte wandte ein, sie sei ihrer Nachweispflicht dadurch nachgekommen, dass sie die für die Prüfung notwendigen Daten a...