Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation
Leitsatz (amtlich)
Die Aufforderung der Krankenkasse an den Krankengeldbezieher, einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen, setzt ein ärztliches Gutachten sowie die Ausübung von Ermessen voraus.
Tenor
I. Auf Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 01.03.2018 und der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin im Zeitraum vom 25.06.-26.07.2016 Krankengeld zu bewilligen.
II. Es wird festgestellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Krankengeld gegen die Beklagte im Zeitraum vom 29.04.2016-24.06.2016 zusteht.
III. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Krankengeld nach Aufforderung zur Antragstellung auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 51 Abs. 1 SGB V) im Zeitraum vom 29.04.2016 - 26.07.2016.
1. Die 1980 geborene Klägerin ist Diplom-Betriebswirtin und seit 01.12.2006 als Managerin im Konzernrechnungswesen beschäftigt. Sie ist bei der Beklagten freiwillig versichert.
Mit Erstbescheinigung vom 03.08.2015, ausgestellt durch Dr. B., wurde die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin wegen Somatisierungsstörungen (ICD F45.0G) festgestellt. Dr. B. stellte Folgebescheinigungen bei gleicher Diagnose aus mit einer voraussichtlichen Arbeitsunfähigkeit bis zum 14.09.2015. Am 15.09.2015 bestätigte Dr. B. die Diagnosen gegenüber der Beklagten und gab an, der Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Am 14.01.2016 wurden durch die Ärzte K. und Dr. Sch. die Diagnosen Z73.G (Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung; hier im Sinn eines Burn-out) und F41.1G (generalisierte Angststörung) hinzugefügt. Die Klägerin unterzog sich neben Diagnosebemühungen einer ambulanten Psychotherapie, einer medikamentösen Therapie und ließ Behandlungen von Heilpraktikern, Osteopathen und Zahnärzten durchführen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind bis zum 28.08.2016 aktenkundig. Seit Mai 2017 ist die Klägerin wieder vollzeitig erwerbstätig.
2. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung am 13.09.2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld in Höhe von kalendertäglich brutto 86,08 €, netto 75,45 €. Die Beklagte schaltete den MDK ein, welcher nach Aktenlage am 11.02.2016 feststellte, die Klägerin leide an einer Somatisierungsstörung, sonstiger seropositiver chronischer Polyarthritis und einer generalisierten Angststörung. Trotz diverser Behandlungen sei ein Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht absehbar. Eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 51 Abs. 1 SGB V liege vor. Das Gutachtensergebnis wurde der Klägerin nicht mitgeteilt. Mit Bescheid vom 12.02.2016 teilte die Beklagte der Klägerin ohne vorherige Anhörung mit, "die Krankenkasse ist gehalten", das Mitglied zu bitten, innerhalb vom 10 Wochen einen Antrag nach § 51 Abs. 1 SGB V zu stellen. Es liege ein ärztliches Gutachten vor, nach dem die Erwerbsfähigkeit derzeit erheblich gefährdet sei.
Dagegen hat die Klägerin fristgerecht Widerspruch eingelegt. Im Widerspruchsverfahren teilte die behandelnde Diplom-Psychologin J. mit, nach ihrer Einschätzung sei eine Rehabilitationsmaßnahme erst nach einer weiteren körperlichen Regeneration in Betracht zu ziehen. Die Anforderungen einer Rehabilitationsmaßnahme würde die Gefahr in sich bergen, dass die Klägerin wieder unter enormen Druck gerate und Stress ausgesetzt würde. Dadurch könne die bereits erreichte Stabilisierung gefährdet werden, was eine weitere körperliche und psychische Dekompensation der Klägerin zur Folge haben würde. Auch die behandelnde Psychiaterin M. erklärte eine Rehabilitation für nicht sinnvoll. Der MDK nahm am 25.034.2016 dazu mit einem einzigen Satz dahingehend Stellung, dass den aktuellen Angaben der behandelnden Psychiaterin zu Folge aktuell keine Rehabilitationsfähigkeit bestünde; die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei aber dennoch gefährdet. Die Beklagte informierte die Klägerin über das Ergebnis der "Widerspruchsbegutachtung des MDK" und die Absicht, die Krankengeldzahlung ab dem 29.04.2016 einzustellen, solange ein Antrag auf Rehabilitation nicht gestellt werde. Mit Schreiben vom 25.05.2016 gab die Beklagte der Klägerin die Möglichkeit, sich gemäß § 24 Abs. 1 SGB X nochmals schriftlich zu äußern. Die Klägerin erklärte dazu, sie befinde sich in engmaschiger Behandlung von Ärzten und Psychotherapeuten und regeneriere sich körperlich langsam. Eine Rehabilitationsmaßnahme käme ab August/September in Betracht. Sie wies darauf hin, dass das Gutachten des MDK nicht nachvollziehbar sei und bat um persönliche Begutachtung.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 den Widerspruch der Klägerin unter Bezugnahme auf die Grundsätze einer wirtschaftlichen Leistungsge...