Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Unfallkausalität. Sturzverletzung. innere Ursache. Konkurrenzursache. Synkope. Ohnmacht. Schwindel
Leitsatz (amtlich)
1. Alleine die Symptomatik einer "unklaren Synkope" oder einer vergleichbaren Erscheinung reicht für die Annahme einer inneren Ursache als Konkurrenzursache jedenfalls dann nicht aus, wenn nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht aufgeklärt werden kann, ob diese durch funktionelle Ursachen oder durch organische Ursachen ausgelöst worden ist, und wenn erhebliche äußere Umstände der betrieblichen Tätigkeit nachgewiesen sind, die zu einer funktionell ausgelösten Synkope geführt haben können.
2. In diesem Fall bleibt es bei der Vermutung, dass die versicherte Tätigkeit zu dem Unfallereignis geführt hat (Unfallkausalität).
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. April 2021 aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 08.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2019 das Ereignis vom 17.07.2018 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses vom 17.07.2018 als Arbeitsunfall im Sinne von§ 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII).
Der 1960 geborene, bei der Firma K in A beschäftigte Kläger stürzte am 17.07.2018 im Rahmen eines dienstlich bedingten Türkeiaufenthalts bei einer betrieblichen Messtätigkeit ohne Fremdeinwirkung und zog sich dabei eine Schädelfraktur mit Subarachnoidalblutung und Epiduralblutung zu.
Im Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung vor Ort ergibt sich (jeweils übersetzt aus dem Türkischen) aus dem Bericht über die allgemeine gerichtsmedizinische Untersuchung, aus dem Epikrisen-Formblatt vom 17.07.2018 sowie einem weiteren Epikrisenbericht vom 23.07.2018, dass der Kläger am Arbeitsplatz in Ohnmacht gefallen sei. Im Konsultationsformblatt vom 21.07.2018 ist angegeben: "eine bekannte Herzkrankheit liegt nicht vor. Infolge Hängenbleibens, eines Sturzes, einer Bewusstlosigkeit und eines Kopftraumas seien bei dem Patienten subdurale und subarachnoidale Blutungen eingetreten. Wegen Bluthochdruck habe er vorher Valsartan 320 mg verwendet. Vor vier Tagen habe der Patient beim Gehen Gleichgewichtsstörungen gehabt. Er beschreibt damit verbundene Schmerzen, Atemnot und Herzklopfen. Der Patient sei hingefallen und mit dem Kopf aufgeschlagen". In einem weiteren Konsultationsformblatt vom 21.07.2018 ist bei dem Punkt "Konsultationsbeschwerden" angegeben "Vor 4 Tagen sei er durch Verbrennen [?] des Fußes [sic!] zu Boden gefallen. Etwa 30 Minuten sei er bewusstlos gewesen. Bei den durchgeführten Bewertungen sei eine Gehirnblutung festgestellt worden und er sei einer Überwachung unterzogen worden".
Bei der Erstvorstellung in Deutschland am 13.08.2018 konnten seitens des Klägers laut D-Arzt-Bericht keine Angaben zum Unfallhergang gemacht werden, im Fragebogen der Beklagten hat der Kläger die Schilderung des Unfallereignisses offengelassen. Laut Bericht vom 26.09.2018 wurde vom Kläger gegenüber dem Arzt angegeben, dass er bewusstlos geworden und es im Rahmen der Bewusstlosigkeit zu einem Sturz gekommen sei. Warum er bewusstlos geworden sei, sei unklar. In der Unfallanzeige des Arbeitgebers vom 06.09.2018 wird gemäß den Angaben des Klägers beschrieben, dass dem Kläger schwindlig geworden sei, nachdem er seinen Laptop angeschlossen habe und er ohne Fremdeinwirkung von Betriebsmitteln auf den Boden gestürzt sei. In der ärztlichen Unfallmeldung vom 20.08.2018 ist angegeben, dass der Kläger in der Arbeit kollabiert sei und sich dabei den Kopf gestoßen habe.
In einem Telefonat mit der Beklagten am 07.11.2018 hat die Firma K mitgeteilt, dass die Qualitätskontrolle oder die Messungen auf ebenem Boden stattgefunden haben, meist zwischen den Robotern. Die Hallenböden bestehen aus Beton mit Estrich und seien eben. Einen Hinweis darauf, dass der Kläger gestolpert oder irgendwo hängen geblieben sei, gebe es nicht. Vom Kläger sei nur bekannt, dass er umgekippt sei, eventuell habe er bei der Hitze zu wenig getrunken, aber das sei nur eine Vermutung.
Mit Bescheid vom 08.11.2018 wurde seitens der Beklagten das Vorliegen eines Arbeitsunfalls verneint. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Kläger ohne Fremdeinwirkung und ohne Einwirkung von betriebsbedingten Gegebenheiten gestürzt sei. Er habe angegeben, nach einem Ohnmachtsanfall gestürzt zu sein. Unfälle aus innerer Ursache seien grundsätzlich unversichert, weil die wesentliche Ursache im persönlichen Bereich des Versicherten (Gesundheitszustand) liege und nicht innerhalb des versicherten Risikos. Aus den Akten gehe hervor, dass ein Ohnmachtsanfall zu dem Sturz geführt habe. Dieser stelle kein plötzliches, äußeres Ereignis dar. Vom Arzt sei...