Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente. Versicherungsrechtliche Voraussetzungen. Verlängerung des Fünfjahreszeitraums. Arbeitslosigkeit in EU-Mitgliedstaat
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung
Leitsatz (redaktionell)
1. Anspruch auf Erwerbsminderungsrente hat, wer erwerbsgemindert ist, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat.
2. Eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums gem. § 43 Abs. 4 SGB VI ist auch durch Zeiten einer Arbeitslosigkeit in einem EU-Mitgliedsstaat gem. Art. 9a VO (EWG) 1408/71 möglich.
3. Zur Feststellung einer Erwerbsminderung genügt die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage, wenn die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei einem Leistungsfall in der Vergangenheit erfüllt wären.
Normenkette
SGB VI § 43 Abs. 1, 4; VO (EWGI 1408/71 Art. 9a
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 21. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1953 in Tunesien geborene Kläger, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, hat keine Berufsausbildung durchlaufen. In seiner Heimat hat er 1971 und 1975 insgesamt sechs Monate an Versicherungszeiten zurückgelegt. In Deutschland war der Kläger zwischen April 1973 und Oktober 1991 (anschließend nur noch 2 vereinzelte Pflichtbeiträge im April 1992 und September 1993) in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen als Bandarbeiter, angelernter Schweißer (nach eigenen Angaben zuletzt auch als geprüfter Schweißer) und Montagearbeiter mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit beschäftigt, anschließend bezog er mit Unterbrechungen Leistungen der Arbeitsverwaltung. Nach dem 23.05.2003 hielt er sich offenbar in Frankreich auf, wo er laut seiner Mitteilung vom 12.10.2003 seit 25.05.2003 beim Arbeitsamt in G. arbeitslos gemeldet war. Im Februar 2005 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz nach Tunesien, mit Unterbrechungen hält er sich aber auch weiterhin in Frankreich auf, wo er nach eigenen Angaben derzeit Sozialunterstützung bezieht. Kurze Aufenthalte in Deutschland fanden ihren Niederschlag im Versicherungsverlauf durch Eintragung von "Pflichtbeitragszeiten Arbeitslosengeld II ohne Arbeitslosigkeit" in den Zeiträumen 06.11. - 28.02.2007 und 11.12. bis 31.01.2008.
Mehrere Rentenanträge des Klägers in der Vergangenheit blieben erfolglos. Ein erster 1994 mit "Rückenbeschwerden, eingeklemmter Nerv, Schwindel" begründeter Rentenantrag wurde mit Bescheid vom 06.04.1995/Widerspruchsbescheid vom 29.05.1995 abgelehnt, bestätigt durch ein klageabweisendes Urteil des SG Braunschweig vom 26.08.1997, welches sich auf ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. S. vom 07.02.1996 stützte. Der Gutachter hatte "psychosomatische Störung der Körperwahrnehmung, Lendenwirbelsäulensyndrom mit leichten Funktionseinschränkungen" diagnostiziert und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne ständiges Stehen oder Sitzen als vollschichtig möglich angesehen.
Auf einen weiteren Antrag vom 24.02.1998 erging der ablehnende Bescheid vom 18.03.1998 sowie der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 04.06.1998. Der Kläger könne trotz "seelischer Fehlhaltung mit Körpervielfachbeschwerden, Lendenwirbelsäulensyndrom" noch vollschichtige Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes erbringen. Im anschließenden Klageverfahren wurde die Klage durch Gerichtsbescheid des SG Braunschweig vom 25.06.1999 zurückgewiesen, die dagegen gerichtete Berufung wurde mit Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 14.06.2000 nach Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Gutachtens des Klinikarztes und Diplompsychologen Dr. R. vom 05.05.2000 zurückgewiesen. Der Gutachter hatte keine psychische Erkrankung und dadurch bedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit feststellen können, er legte dar, der Kläger aggraviere seine körperlichen Beschwerdeschilderungen bis zur Grenze der Simulation und verfolge konsequent sein Rentenbegehren; möglich seien vollschichtig leichte und zeitweilig mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen und ohne widrige klimatischen Einflüsse. Das Berufungsgericht führte in seiner Entscheidung aus, der Kläger könne zwar die letzte Tätigkeit eines Montagearbeiters wegen möglicherweise damit verbundener Witterungseinflüsse nicht mehr ausüben, müsse sich aber als ungelernter Rentenbewerber auf sämtliche seinem Restleistungsvermögen angepasste Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen.
Mit Bescheid vom 18.05.2001 wurde auch der dritte Rentenantrag des Klägers vom 02.11.2000 zurückgewiesen. Die Beklagte hatte den Kläger zuvor durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. N. untersuchen und begutachten lassen, welcher in seinem ausführlichen ...