Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente: Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei Vorhandensein eigener Einkünfte des hinterbliebenen Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
1. Als besondere Umstände im Sinne des § 46 Abs. 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen.
2. Aus dem Vorhandensein eigener Einkünfte des hinterbliebenen Ehegatten lässt sich kein Beleg für das Vorhandensein von Beweggründen, die von einer Versorgungsabsicht verschieden sind, herleiten.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 15.01.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Witwenrente hat.
Die 1961 geborene Klägerin ist die Witwe des 1959 geborenen und am 19.02.2014 verstorbenen Versicherten C. M..
Am 14.03.2014 beantragte die Klägerin bei der Beklagten eine Hinterbliebenenrente in Form einer großen Witwenrente.
Sie gab hierbei an, am 18.12.2013 mit dem Versicherten die Ehe eingegangen zu sein und diese habe bis zum Tod des Versicherten bestanden. Die Klägerin antwortete auf die Formblattfragen,
- ob der Versicherte plötzlich und unvermutet gestorben sei,
- ob die Heirat zur Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt sei und der Tod des Ehegatten bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen sei und
- ob die tödlichen Folgen einer Krankheit bei Eheschließung nach ärztlicher Auffassung nicht zu erwarten gewesen seien,
jeweils mit "nein". Angegeben wurde weiter, dass die Klägerin und der Versicherte bereits seit 2007 zusammengelebt hätten und schon seit 2005 eine Partnerschaft bestanden habe. Bereits ab 2012 sei die Eheschließung angedacht gewesen.
Die Klägerin gab weiter an, dass sie als Kaufmännische Angestellte in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Beigefügt waren eine standesamtliche Urkunde des Standesamts D-Stadt über die Eheschließung vom 18.12.2013 sowie die Sterbeurkunde vom 19.02.2014.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 18.03.2014 die beantragte Witwenrente ab, da eine sogenannte Versorgungsehe vorgelegen habe.
Gegen den ablehnenden Bescheid vom 18.03.2014 legte die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2014 am 14.04.2014 Widerspruch ein und trug vor, dass es nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Eheschließung gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Es hätten von finanziellen Erwägungen unabhängige Gründe vorgelegen, die aus der langjährigen inneren Verbundenheit resultiert hätten und von dem Wunsch nach Beistand und Unterstützung des Ehemanns in dessen schwieriger Lebenslage getragen gewesen seien. Dies könne die Tochter der Klägerin bezeugen. Auch könne die Rechtsvermutung einer Versorgungsehe durch Vorlage von Nachweisen über das Einkommen des Verstorbenen und der Witwe widerlegt werden.
Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2014 den Widerspruch zurück. Die gesetzliche Vermutung, dass bei einer Ehe mit einer Ehedauer von weniger als einem Jahr, bei Eheschließung eine Versorgungsabsicht vorgelegen habe (§ 46 Abs. 2a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI), könne zwar widerlegt werden. Es müsse sich aber um besondere, objektiv feststellbare Umstände handeln; Erklärungen der Ehegatten über den Zweck der Ehe würden nicht ausreichen. Zudem müssten die Gründe, die gegen eine Versorgungsehe sprechen sollten, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen sei. In der Gesamtschau der Angaben sei davon auszugehen, dass der Versicherte nach kurzer Krankheitsdauer verstorben sei. Beim Versicherten sei zum Zeitpunkt der Heirat sein Versterben absehbar gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 21.07.2014 am 22.07.2014 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat zunächst ihre Gründe aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. In einem Erörterungstermin vom 22.10.2014 hat die Klägerin geschildert, dass sie mit ihrem verstorbenen Ehemann vor der Eheschließung schon ca. 10 Jahre zusammen gewesen sei und seit 2007 einen gemeinsamen Haushalt geführt habe. Sie habe immer nicht so richtig heiraten wollen, ihr Mann dagegen schon; die Heirat sei dann immer wieder verschoben worden. Im Dezember 2013 sei dann sehr schnell und unerwartet ein Lungenkarzinom diagnostiziert worden. Ab diesem Zeitpunkt sei es der größte Wunsch ihres Mannes gewesen, zu heiraten. Die Ärzte hätten ihrem Mann eine Prognose von ca. 1 bis 1 1/2 Jahre gegeben. Mit dem dann doch sehr schnellen Ableben hätte niemand gerechnet.
Die Klägerseite hat mehrere ärztliche Unterlagen vorgelegt: Bei einer Erstbehandlung beim Lungenfacharzt Dr. E. am 04.12.2013 ist die Überweisung in das Universitätsklinikum B-Stadt für den gleichen Tag zur weiteren diagnostischen Abklärung...