Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen. Kostenübernahme für einen Computerkurs
Leitsatz (amtlich)
1. Computerschulungen für Blinde als Leistungen der Eingliederungshilfe.
2. Der Umgang mit Nichtbehinderten (§§ 55 ff SGB 9) kann auch über das Internet erfolgen.
Normenkette
SGB XII § 17 Abs. 2 S. 1, § 53 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3 Sätze 1-2, § 54 Abs. 1 S. 1; Eingliederungshilfe-Verordnung § 1 Nr. 4, §§ 2, 16 Nr. 2; SGB IX § 5 Nrn. 2, 4, § 55 Abs. 1-2; SGG § 54 Abs. 4, § 56
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.11.2011 wird aufgehoben. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 20.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 verurteilt, die Kosten für die beantragten PC-Schulungen in einem Umfang von 20 Unterrichtsstunden zu übernehmen.
II. Der Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf die Übernahme der Kosten für Computerschulungen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) hat.
Der 1977 geborene Kläger ist blind und gehört zum Personenkreis der wesentlich Behinderten im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII. Am 30.03.2009 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Kosten für weitere Computerschulungen im häuslichen Bereich. Diese Schulungen sollte die Firma B. GmbH durchführen, wie sie es bereits in der Vergangenheit getan hatte. Kostenträger war damals u.a. der Landkreis B-Stadt.
Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.08.2009 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach dem hier in Betracht kommenden § 55 Abs. 2 Nrn. 1, 4 und 7 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) nicht bestehe, weil die Voraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage nicht erfüllt seien. Weiterhin sei aufgrund der bereits erfolgten EDV-Schulungen davon auszugehen, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse beim Umgang mit dem Computer verfüge. Auch ergebe sich aus dem vorliegenden amtsärztlichen Gutachten vom 09.10.2008 sowie der landesärztlichen Stellungnahme vom 17.02.2009, dass die beantragten Computerschulungen in Anbetracht der Art und Schwere der Behinderung des Klägers nicht geeignet seien, das Ziel der Eingliederungshilfe zu erreichen. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Regierung von Unterfranken mit Widerspruchsbescheid vom 15.10.2009 zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.11.2011 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Übernahme der Kosten für Computerschulungen im Wege der Eingliederungshilfe nach § 53, § 54 Abs. 1 SGB XII. Die Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall im Hinblick auf die beantragten Computerschulungen nicht erfüllt. Dies ergebe sich zur Überzeugung der erkennenden Kammer aus der Stellungnahme des Landesarztes für geistig und seelisch behinderte Erwachsene vom 17.02.2009, in der sich der Landesarzt eingehend mit der Behinderung des Klägers auseinandersetze und mit schlüssiger und in sich widerspruchsfreier Begründung unmissverständlich zu dem Ergebnis komme, dass durch die Nutzung des Mediums Internet und damit auch durch die beantragten Computerschulungen der Sinn der Eingliederungshilfe nicht erfüllt werden könne.
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt und ausgeführt, die Stellungnahme des Landesarztes könne nicht als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, zumal sie ohne Untersuchung des Klägers erfolgt sei und sich auf eine Intelligenztestung aus dem Jugendalter des Klägers im Jahre 2005 beziehe. Verwiesen werde zudem auf ein psychiatrisches Gutachten vom 07.08.2012, das durch das Amtsgericht B-Stadt zur Überprüfung der Frage eingeholt worden sei, ob die Anordnung einer Betreuung erforderlich sei. Dieses Gutachten sei aufgrund eines Hausbesuches erstellt worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.11.2011 sowie den Bescheid vom 20.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.10.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Kosten für PC-Schulungen in einem Umfang von 20 Unterrichtsstunden zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.11.2011 zurückzuweisen.
Er schließt sich den Ausführungen des SG vollinhaltlich an. Das Gutachten vom 07.08.2012 sei nicht ausreichend, die landesärztliche Stellungnahme zu erschüttern. Danach liege beim Kläger eine geistige Behinderung vor, die befürchten lasse, dass durch die Nutzung des Mediums Internet das wirkliche Ziel der Eingliederungshilfe nicht erfüllt werden könne.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach...