Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. bayerisches Betreuungsgeld. keine zweckbestimmte Leistung
Leitsatz (amtlich)
Das Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz (juris: BtGG BY) ist keine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11a Abs 3 S 1 SGB II und als Einkommen im Rahmen der Leistungsberechnung nach dem SGB II anzurechnen.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 11.09.2018 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 06.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2018 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf die Nichtanrechnung von Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz (BayBtGG) für die Zeit von März 2018 bis Juni 2018.
Die Kläger sind syrische Staatsangehörige und besitzen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Zusammen mit ihren Kindern G. (geboren 01.01.2012), S. (geboren 01.01.2015) und M. (geboren 14.11.2016), die ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, wohnten sie in einer Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Der Klägerin wurde mit Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) vom 29.01.2018 Betreuungsgeld nach dem BayBtGG iHv 150 € monatlich für das Kind M. für die Zeit vom 14.01.2018 bis 13.02.2019 bewilligt, das - nachdem zunächst vom Beklagten ein Anspruchsübergang geltend gemacht worden war - erstmalig im März 2018 an die Klägerin ausgezahlt wurde.
Auf einen Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 26.09.2017 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25.11.2017 und 01.12.2017 unter anderem für März bis September 2018 monatlich jeweils 478,58 €. Aufgrund der Auszahlung des Betreuungsgeldes nahm der Beklagte mit Bescheid vom 06.02.2018 die Leistungsbewilligung für März bis September 2018 teilweise zurück und bewilligte den Klägern nur noch monatlich jeweils 439,21 €. Dabei wurde das Betreuungsgeld iHv 150 € als Einkommen berücksichtigt, hiervon 30 € als Pauschale abgesetzt und es anschließend anteilig auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt, wobei bei den Klägern jeweils ein Betrag iHv 39,37 € angerechnet wurde. Den dagegen von den Klägern eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2018 zurück. Mit Bescheid vom 26.06.2018 wurde die Leistungsbewilligung ab Juli 2018 wegen "einer Abmeldung der Kläger aus dem Leistungsbezug" aufgehoben.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.02.2018 haben die Kläger beim Sozialgericht Bayreuth (SG) Klage erhoben, wobei ein Text "lege ich - C. - Klage ein" vom Kläger zu 1. unterschrieben worden war. Mit einem am 07.05.2018 eingegangen Schriftsatz haben die Kläger mitgeteilt, auch die Klägerin zu 2. sei unmittelbar betroffene Anspruchsberechtigte und trete dem Verfahren bei. Das Betreuungsgeld werde an diese gezahlt. Der Widerspruchsbescheid habe sich ausschließlich an den Kläger gewandt. Das Betreuungsgeld sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen, da es sich um eine zweckgebundene Leistung handle, die einem anderen Zweck als Leistungen nach dem SGB II diene. Ab 01.07.2018 würden Leistungen nunmehr vom Jobcenter K. erbracht. Der Beklagte hat der "Klageerweiterung" in Bezug auf die Klägerin nicht zugestimmt und ausgeführt, zwar diene das Betreuungsgeld dem Ziel, die Betreuung der Kinder durch ihre Eltern zu fördern, notwendig für eine Zweckbestimmung im Sinne von § 11a Abs 3 SGB II sei aber nicht das Motiv oder der Entstehungsgrund einer Leistung, sondern deren Verwendungszweck. Es gebe keine Festlegung, wie das Betreuungsgeld zu verwenden sei. Die Anrechnung ergebe sich auch aus § 10 Abs 5 Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG). Eine Rückausnahme nach § 10 Abs 5 Satz 2 BEEG sei nicht gegeben. Insbesondere sei das Betreuungsgeld nicht von einem Erwerbseinkommen abhängig. Auch verfassungsrechtlich sei eine Anrechnung nicht zu beanstanden. Mit Urteil vom 11.09.2018 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 06.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2018 in der Fassung des Aufhebungsbescheides vom 26.06.2018 "verpflichtet", den Klägern Leistungen ohne Anrechnung von Betreuungsgeld als Einkommen zu gewähren. Die Klageschrift sei so auszulegen, dass beide Kläger Klage erhoben hätten. Das Betreuungsgeld sei nicht als Einkommen anzurechnen. Die negative Zweckbestimmung des § 10 Abs 5 BEEG sei missglückt und die Frage einer abschließenden negativen Zweckbestimmung in § 10 Abs 5 BEEG ausdrücklich vom Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 26.07.2016 (B 4 KG 2/14 R) offengelassen worden. Indirekt habe das BSG aber die Frage dahingehend beantwortet, dass die Vorschrift keine abschließende Zweckbestimmu...