Entscheidungsstichwort (Thema)

Bemessung des Insolvenzgeldes. Arbeitsentgelt. Beitrag zur betrieblichen Altersversorgung. Entgeltumwandlung. EG-Recht. Arbeitsentgeltbegriff. nationales Recht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Beiträge, die im Rahmen einer Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersvorsorge nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) durch den Arbeitgeber in eine Direktversicherung einzuzahlen sind, stellen kein Arbeitsentgelt iS der insolvenzgeldrechtlichen Vorschriften des SGB 3 dar (vgl BSG vom 5.12.2006 - B 11a AL 19/05 R = BSGE 98, 5 = SozR 4-4300 § 183 Nr 7).

2. Es obliegt der Befugnis des nationalen Gesetzgebers, festzulegen, welche Leistungen zu Lasten der Garantieeinrichtung gehen. Der Begriff des Arbeitsentgeltes ist nicht durch den Gesetzgeber - unter Verstoß gegen den europarechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung - einschränkend definiert worden. Diese Differenzierung hat sich im Rahmen der nationalen Rechtsprechung entwickelt, der es obliegt, den Begriff des Arbeitsentgeltes zu definieren (EuGH vom 16.12.2004 - C-520/ 03 = SozR 4-4300 § 183 Nr 4).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.09.2010; Aktenzeichen B 11 AL 4/10 C)

BSG (Beschluss vom 26.03.2010; Aktenzeichen B 11 AL 192/09 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 03.03.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höheres Insolvenzgeld. Streitig ist, ob Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorgung, die in der Folge von Entgeltumwandlung durch den Arbeitgeber zu entrichten sind, der Insolvenzsicherung unterliegen.

Der Kläger beantragte am 23.01.2006 die Bewilligung von Insolvenzgeld. Sein Arbeitsverhältnisses bei der Fa. T. Bedachungs GmbH sei zum 16.01.2006 aufgelöst worden. Für die Monate Dezember 2005 und Januar 2006 stehe das Arbeitsentgelt noch aus. Am 19.01.2006 sei beantragt worden, das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers zu eröffnen.

Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 02.02.2006 einen Vorschuss in Höhe von 1.500.- EUR auf den zu erwartenden Insolvenzgeldanspruch. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 15.03.2006 bewilligte die Beklagte mit Bescheid 06.04.2006 (endgültig) für den Zeitraum 01.12.2005 bis 16.01.2006 Insolvenzgeld in Höhe von 2.176,21 EUR.

Den ohne Begründung gebliebenen Widerspruch vom 12.05.2006 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2006 zurück.

Mit der am 27.07.2006 zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, dass die im November 2005 zu zahlende Direktversicherung (1.272.- EUR) seitens des Arbeitgebers nicht bezahlt worden sei. Der Anspruch ergebe sich aus der Lohn- und Gehaltsabrechnung für November 2005. Die Beiträge für die Direktversicherung seien vom Arbeitgeber nicht abgeführt worden. Es sei eine Vereinbarung über die Entgeltumwandlung zur betrieblichen Altersvorsorge iSd § 1 BetrAVG (Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung) getroffen worden. Es handle sich um durchsetzbare Ansprüche auf Arbeitsentgelt, weil die betriebliche Altersvorsorge Entgeltcharakter habe. Wären die Beiträge nicht insolvenzgeschützt, bestünde eine Schutzlücke, die mit europäischem Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar sei (Art 3 der Richtlinie 2002/74 EG)

Mit Gerichtsbescheid vom 03.03.2008 hat das SG die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen auf die Argumentation gestützt, die dem Urteil des Bundessozialgerichtes vom 05.12.2006 (B 11a AL 19/05 R) zugrunde gelegen hatte. Hiernach sei - in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitgerichtes - der Anspruch auf Zahlung der Altervorsorgebeiträge, der seine Grundlage in einer Entgeltumwandlung habe, nicht als insolvenzgeldgeschützter Arbeitsentgeltanspruch anzusehen.

Mit der am 10.04.2008 beim Bayerischen Landessozialgericht eingelegten Berufung hat der Kläger geltend gemacht, das SG habe sich in der Urteilsbegründung insbesondere mit der europarechtlichen Problemlage nicht auseinandergesetzt. Nach Art 4 Abs 2 der Richtlinie 80/987 EWG sei die Befriedigung der nicht erfüllten Arbeitsentgeltansprüche sicherzustellen. Hierzu gehöre auch der Anspruch auf Weiterleitung der Beiträge zur Altersvorsorge des Arbeitnehmers an die Direktversicherung. Folgte man der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, entstünde eine Schutzlücke, die mit europäischem Recht nicht vereinbar sei. Zudem erweise sich die Argumentation, der Entgeltanspruch würde mit der Entgeltumwandlung endgültig untergehen, als fehlerhaft, denn im Falle eines Verstoßes gegen das Wertgleichheitsgebot sei eine Entgeltumwandlung unwirksam und der Arbeitsentgeltanspruch bestehe fort.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes B-Stadt vom 03.03.2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 06.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.06.2006 zu verpflichten, Insolvenzgeld in Höhe von 1.272.- EUR nachzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Ber...

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