Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtskraftwirkung. keine rechtskraftbeseitigende Wirkung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Entscheidung über einen während des Berufungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakt iS des § 96 SGG durch das LSG
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rechtskraftwirkungen gemäß § 141 SGG werden durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, das die Verletzung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die rechtskräftige Entscheidung feststellt, nicht beseitigt.
2. Das Landessozialgericht entscheidet - neben den in § 29 SGG geregelten Katalogfällen - im ersten Rechtszug auch über einen während des Berufungsverfahrens erlassenen Verwaltungsakt, der den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt (§ 96 SGG).
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 03.11.2009 wird zurückgewiesen.
II. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2010 wird abgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Der Kläger hat den Betrag von 225,00 EUR als Verschuldenskosten an die Staatskasse zu entrichten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger Altersrente beanspruchen kann.
Der 1947 geborene Kläger hat von August 1962 bis März 1966 Rentenpflichtbeiträge zur gesetzlichen Arbeiterrentenversicherung und vom 01.04.1966 bis 31.12.1980 Rentenpflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet. Außerdem hat er jeweils für November und Dezember der Jahre 1981 und 1982 freiwillige Beiträge und ab November 2006 erneut Pflichtbeiträge zur Beklagten eingezahlt. Laut Kontoübersicht vom 22.09.2010 waren 262 auf die Wartezeit anrechenbare Monate zu berücksichtigen. Nach eigenen Angaben hat er zudem von 1983 bis 2006 Beiträge zu einer "anerkannten privaten Altersvorsorge" geleistet.
Einen formlosen Antrag des Klägers vom 10.07.2006 auf Altersrente ab 01.09.2007 hatte die Beklagte mit Bescheid vom 31.07.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006 mit der Begründung abgelehnt, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Altersrentengewährung, insbesondere die Belegung mit Pflichtbeiträgen bzw. die Wartezeit, seien - noch (vgl. Schreiben vom 13.07.2006) - nicht erfüllt.
Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage zum Sozialgericht (SG) Regensburg und beanspruchte "Altersrente für langjährig Versicherte". Denn neben den zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Beiträgen (für seinerzeit 225 Monate) sei seine private Alterssicherung zu berücksichtigen. Diese sei über eine betriebsinterne Vereinbarung erfolgt; ab 01.01.2007 erhalte er daraus eine "betriebliche Rente". Im Lichte des "allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes" müssten aufgrund seiner langjährigen Berufstätigkeit die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine "vorgezogene Altersrente als langjähriger Versicherter" bzw. wegen "Erfüllung der Regelarbeitszeit von 45 Jahren" als erfüllt gelten.
Auf die mündliche Verhandlung vom 25.06.2008 wies die 11. Kammer des SG Regensburg die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe die Wartezeit für eine vorgezogene Altersrente für langjährige Versicherte nach § 236 Sozialgesetzbuch, 6. Buch. (SGB VI) von 35 Jahren nicht erfüllt. Denn die Berufsjahre, in denen er in keiner Beziehung zur gesetzlichen Rentenversicherung gestanden habe, seien auf die Wartezeit nicht anrechenbar. Auch für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit nach § 237 SGB VI seien die gesetzlichen Voraussetzungen (insbesondere eine achtjährige Pflichtbeitragsleistung in den letzten zehn Jahren) nicht erfüllt. Ebenso könne der Kläger den von ihm erhobenen Anspruch nicht auf § 38 SGB VI stützen, zumal diese gesetzliche Regelung erst am 01.01.2012 in Kraft treten werde.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wies der 13. Senat des Bayerischen (Bayer.) Landessozialgerichts (LSG) mit Urteil vom 20.05.2009 (L 13 R 561/08) zurück. In seine Entscheidung bezog das Bayer. LSG weitere Verwaltungsakte ein, die aufgrund weiterer Anträge des Klägers während des Berufungsverfahrens von der Beklagten erteilt worden waren und die gemäß §§ 153 Abs. 1, 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens wurden. Demgemäß wies das Bayer. LSG nicht nur die Berufung zurück, sondern auch "die Klage gegen die Versagung einer Rente für besonders langjährige Versicherte" ausdrücklich ab. Nicht Gegenstand der Entscheidung des 13. Senats des Bayer. LSG war dagegen die Ablehnung des Antrages des Klägers vom 10.07.2008 auf Altersrente für "schwerbehinderte Menschen" nach § 236 a SGB VI mit Bescheid vom 16.07.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.10.2008.
Gegen die Nichtzulassung der Revision legte der Kläger Beschwerde zum Bundessozialgericht (BSG) ein und beantragte gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Mit Beschluss vom 07.09.2009 hat der ...