Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Kostentragungspflicht. mehrere gleichrangige Bestattungspflichtige. Vorrang der Verpflichtung als Erbe

 

Leitsatz (amtlich)

Auch wenn nach dem landesrechtlichen Bestattungsrecht zwischen bestattungsverpflichteten Verwandten keine Rangfolge besteht, kann im Rahmen des § 74 SGB XII verpflichtet nur sein, wer zugleich Erbe ist.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. September 2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter im Rahmen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) hat.

Die 1969 geborene Klägerin - sie ist ukrainische Staatsangehörige und verfügt über eine Niederlassungserlaubnis - erhält von der Beklagten Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Bescheid vom 16.07.2019). Sie hat noch einen Bruder, der in der Ukraine lebt.

Am 19.05.2019 verstarb die Mutter der Klägerin, ebenfalls ukrainische Staatsangehörige. Diese lebte zuletzt zusammen mit dem Vater der Klägerin in einer Wohnung in A und beide erhielten von der Beklagten bis Ende 2018 Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, der Vater der Klägerin auch nach dem Siebten und Neunten Kapitel des SGB XII (Bescheid vom 08.10.2018); ab dem Jahr 2019 erbrachte der Bezirk Oberbayern als überörtlicher Sozialhilfeträger die Leistungen (Bescheide vom 05.12.2018). Die Bestattung der Mutter der Klägerin wurde am 22.05.2019 durchgeführt. Die Klägerin hatte dazu die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) beauftragt (Schreiben vom 20.05.2019) und an diese zugleich einen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten abgetreten bzw. sie zur Geltendmachung des Anspruchs bevollmächtigt (Abtretungserklärung vom 20.05.2019).

Anfang August 2019 beantragte die IKG unter Vorlage der Abtretungserklärung vom 20.05.2019 bei der Beklagten die Übernahme von Bestattungskosten i.H.v. 8.750 EUR (Kostenaufstellung und Rechnung vom 31.07.2019).

Anfang Oktober 2019 stellte auch der Vater der Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten i.H.v. 8.750 EUR zuzüglich 3.300 EUR für einen Grabstein, dessen Anfertigung er in Auftrag gegeben hatte (Auftrag/Bestellung bei der Fa. T vom 16./17.09.2019). Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 06.12.2019 noch weitere Unterlagen vom Vater der Klägerin an, dieser war aber bereits am 23.11.2019 verstorben. Die Beklagte stellte daraufhin das Verfahren ein (Vormerkung vom 30.01.2020), was sie auch der IKG mitteilte (Schreiben vom 29.01.2020).

Die Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass zur Tragung der Bestattungskosten der Erbe verpflichtet sei und den Anspruch auf Kostenerstattung geltend machen könne. Die Klägerin komme neben ihrem Vater, ihrem Bruder und ihrem Sohn als Erbin in Betracht. Sie möge mitteilen, ob sie das Erbe angenommen habe. Falls nicht, müsse man davon ausgehen, dass der Vater der Klägerin Alleinerbe nach der Mutter geworden sei. In diesem Fall sei der Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten mit dessen Tod erloschen (Schreiben vom 06.03.2020).

Erneut wies die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 29.05.2020 darauf hin, dass für ihre verstorbene Mutter Bestattungskosten nach Erbquote nur übernommen werden könnten, sofern sie nachweisen könne, dass sie das Erbe angenommen habe, und bat um Übersendung weiterer Unterlagen zur Prüfung eines Anspruchs.

Die Klägerin stellte sodann im Juni 2020 bei der Beklagten ein Formularantrag auf Übernahme von Bestattungskosten (Antrag vom 14.06.2020). Im Nachgang dazu übersandte sie das an das Amtsgericht A gerichtete und notariell beglaubigte Schreiben vom 04.09.2020, mit dem sie und ihr Sohn die Erbschaft nach der Mutter der Klägerin ausschlugen, sowie die Erbausschlagung durch den Bruder der Klägerin (Antrag mit Apostille vom 11.09.2020). Die Mitteilung des Nachlassgerichts, dass sie als Erbin in Betracht komme, sei ihr erst mit Schreiben vom 27.08.2020 zugegangen.

Später erfuhr die Beklagte noch, dass die Klägerin auch die Erbschaft nach ihrem Vater ausgeschlagen hatte (Schreiben an das Amtsgericht A vom 17.01.2020 mit notarieller Beglaubigung vom 17.01.2020). Sie sei bisher davon ausgegangen, dass ihr Bruder Alleinerbe geworden sei.

Auf Nachfrage der IKG teile die Beklagte dieser mit Schreiben vom 08.10.2020 mit, dass keine Sozialhilfeleistungen für die Bestattungskosten möglich seien, da der Vater der Klägerin als alleiniger Anspruchsinhaber verstorben und sein Sozialhilfeanspruch nicht vererbbar sei. Das Verfahren sei eingestellt worden.

Ein Abdruck dieses Schreibens wurde der Klägerin mit Schreiben vom 26.10.2020 übersandt.

Hiergegen legte die Klägerin am 19.11.2020 Widerspruch ein. Die Einstellung des Verfahrens werde als Ablehnung des Antrags auf Übernahme der Bestattungskosten ihrer Mutter gewertet....

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