Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Anschlussarbeitslosenhilfe. Anwartschaft. Vorfrist. Nichtbezug von Arbeitslosenhilfe wegen Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Aufhebung eines Verwaltungsaktes bei Änderung der Verhältnisse. vertrauensschutzvernichtendes Nachwirken

 

Orientierungssatz

1. Gibt der Arbeitslose in seinem Arbeitslosenhilfeantrag bewusst oder infolge grober Fahrlässigkeit sein Vermögen nicht an, so ist für den Zeitraum fehlender Bedürftigkeit die Bewilligung gemäß § 45 SGB 10 rückwirkend aufzuheben. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung nach Ablauf dieses Zeitraumes kann nur nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB 10 erfolgen.

2. Der Tatbestand des § 48 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB 10 ist nicht erfüllt, wenn der Arbeitslose aufgrund der Belehrung im Merkblatt für Arbeitslose nicht wissen konnte, dass die Aufhebung der Bewilligung bei Vorliegen von Bedürftigkeit auch wegen Nichterfüllung der einjährigen Vorfrist des § 134 Abs 1 S 1 Nr 4 Buchst a AFG erfolgen kann.

3. Ein vertrauensschutzvernichtendes Nachwirken des Verschweigens seiner Vermögensverhältnisse durch den Arbeitslosen über den Zeitpunkt des Ausschlusses der Bedürftigkeit hinaus, kann mangels ausreichender Vergleichbarkeit mit dem vom BSG mit Urteil vom 26.8.1992 (9b RAr 2/92 = DBlR 3958a, AFG/§46) entschiedenen Fall hier nicht bejaht werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 29.05.2008; Aktenzeichen B 11a/7a AL 74/06 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.04.2003 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der 1949 geborene Kläger, von Beruf Elektromechaniker, war seit 1971 bei der K. Aufzug GmbH & Co. KG in A. beschäftigt. Er litt mit den Jahren zunehmend an einer fortschreitenden Wirbelsäulendeformität, an einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der linken Hüfte nach Verrenkungsbruch, einer eingeschränkten Leistungsbreite der Lunge und einer psychovegetativen Labilität. Wegen seiner herabgesetzten Belastbarkeit kündigte ihm seine Firma unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31.12.1991 gegen eine Abfindung von 52.153,00 DM. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Ehefrau ist als Kinderpflegerin bei der Katholischen Kirche teilzeitbeschäftigt.

Auf seinen Antrag vom 18.11.1991 hin bewilligte ihm das Arbeitsamt mit Bescheid vom 29.01.1992 ab 01.01.1992 Arbeitslosengeld von wöchentlich 420,00 DM für 468 Tage unter Zugrundelegung eines seinem zuletzt bei der Firma K. verdienten Arbeitsentgelts entsprechenden wöchentlichen Bemessungsentgelts von 1.010,00 DM in Leistungsgruppe A 1. Am 06.08.1993 war der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld erschöpft.

Am 23.07.1993 beantragte der Kläger Anschluss-Arbeitslosenhilfe. Auf dem Antragsvordruck erklärte er unterschriftlich, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Er verneinte eigenes oder Vermögen seiner Ehefrau von mehr als 8.000,00 DM. Im "Zusatzblatt zum Antrag auf Arbeitslosenhilfe", in dem die möglichen Vermögensgegenstände im Einzelnen aufgeführt waren, gab er lediglich an, "Bargeld, Sparguthaben" in Höhe von 1.000,00 DM sein Eigen zu nennen. Das Arbeitsamt bewilligte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 07.08.1993 ab 07.08.1993 Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 317,10 DM. Dem zugrunde lag ein Bemessungsentgelt von 1.070,00 DM wöchentlich bei einer maßgeblichen Leistungsgruppe F 1. Dabei hatte das Arbeitsamt von dem sich aus der Leistungssatz-Tabelle ergebenden Leistungssatz von wöchentlich 375,60 DM ein wöchentliches Einkommen von 58,50 DM aus Land- und Forstwirtschaft abgezogen, den es aus dem Einkommensteuerbescheid des Klägers für 1991 errechnet hatte. Ein auf den Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe anzurechnender Einkommensbetrag seiner Ehefrau errechnete sich aus deren Einkünften nicht. Als Bewilligungsabschnitt setzte das Arbeitsamt den Zeitraum vom 07.08.1993 bis 31.12.1994 fest.

Im Antrag vom 14.12.1994 auf Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe verneinte der Kläger wiederum die Frage nach jeglichem eigenen oder Vermögen seiner Ehefrau. Das Arbeitsamt bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 20.01.1995 ab 02.01.1995 Arbeitslosenhilfe in Höhe von wöchentlich 280,50 DM. Aufgrund Herabbemessung des vom Kläger im Hinblick auf seine eingeschränkte gesundheitliche Belastbarkeit noch erzielbaren Arbeitsentgelts auf das Gehalt eines Angestellten in der bayerischen Metallindustrie in der tariflichen Gehaltsgruppe 3 ab viertem Berufsjahr in Höhe von monatlich 3.750,91 DM nach den §§ 136 Abs.2b, 112 Abs.7 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der seit 1995 geltenden Fassung hatte das Arbeitsamt dem bewilligten Leistungssatz ein Bemessungsentgelt von 870,00 DM wöchentlich in Leistungsgruppe C1 zugrunde gelegt. Weiterhin in Abzug gebracht war dabei ein wöchentliches Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 58,50 DM. Den Bewilligungsa...

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