Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente bei einer psychischen Erkrankung

 

Leitsatz (amtlich)

Psychische Erkrankungen sind in der Regel erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 03.05.2011 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin aufgrund ihres Rentenantrags vom 16.07.2009 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente hat.

Die 1954 in Slowenien geborene Klägerin ist am 07.11.1972 in die Bundesrepublik Deutschland zugezogen. In ihrer Heimat hat sie von 1970 bis 1972 als Küchenhilfe gearbeitet. Seit ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland war sie durchgehend bis zum 31.07.2009 als Kommissioniererin versicherungspflichtig beschäftigt. Infolge der Insolvenz des Arbeitgebers wurde sie zuletzt für ein halbes Jahr in einer Auffanggesellschaft beschäftigt. Ab dem 01.08.2009 war die Klägerin arbeitslos und bezog in der Zeit vom 01.08.2009 bis 16.01.2011 Arbeitslosengeld I. Seitdem bezieht die Klägerin keine Sozialleistungen mehr.

Mit Bescheid des Versorgungsamtes A-Stadt vom 25.11.1987 war der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 zuerkannt worden. Aufgrund eines Verschlimmerungsantrages vom 10.07.1995 wurde nach Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid vom 03.11.1995 schließlich ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen G und B zuerkannt (Abhilfebescheid vom 26.03.1996). Festgehalten war in dem Abhilfebescheid, dass der Ärztliche Dienst eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes für möglich erachte und deshalb im Februar 1998 die Feststellungen überprüft werden müssten. Die nachfolgend durchgeführten Überprüfungen von Amts wegen führten zu keiner Änderung des Gesamt-GdB mehr.

Am 16.07.2009 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente wegen einer hochgradigen vegetativen Störung mit depressivem Einschlag, psychischer Erkrankung, Nervenerkrankung, Hals-Schulter-Lendenwirbelsäulenerkrankungen. Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte holte die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten von Dr. W. ein, der am 28.09.2009 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mehr als 6 Stunden täglich bei Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen verrichten könne. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.10.2009 eine Rentengewährung ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte ein Schreiben mit der Überschrift "Mein Leben mit der Nervenkrankheit" vor. Die Beklagte holte daraufhin ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Frau Dr. B. ein, die am 27.01.2010 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Klägerin leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten könne. Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.10.2009 daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2010 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der hiergegen am 24.03.2010 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem und neurologischem Fachgebiet unzureichend beachtet worden seien. Der Klägerin seien zwischenzeitlich ein GdB von 60 sowie das Merkzeichen G und B zuerkannt. Es sei auch kein leidensgerechter Arbeitsplatz ersichtlich, der der Klägerin angeboten werden könnte. Der Klägerin sei zumindest volle Erwerbsminderungsrente aus rechtlichen Gründen zu gewähren.

Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte ein nervenärztliches Gutachten von Dr.O. eingeholt, die am 20.07.2010 zu folgenden Diagnosen gelangt ist:

1. Dysthymia.

2. Generalisierte Angststörung.

3. Tendenz zu somatoformer Überlagerung orthopädischer Gesundheitsstörungen.

Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei die Klägerin in der Lage unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zumutbare Tätigkeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten. Die bei ihr festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen bedingten allenfalls qualitative Leistungseinschränkungen. Seitens des nervenärztlichen Fachgebietes sei eine langdauernde depressive Reaktion im Rahmen einer Anpassungsstörung bzw. aus zeitlichen Gründen eine Dysthymia festzustellen, außerdem leide die Klägerin unter einer generalisierten Angststörung, freilich auch mit agoraphoben Anteilen. Neurologisch falle eine somatoforme Überlagerung vorbestehender or...

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