Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen Erwerbsminderung. Voraussetzung der Annahme einer Erwerbsminderung bei einer psychischen Erkrankung. Erwerbsminderung bei längerer Krankenbehandlung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Orientierungssatz
1. Bei einer psychischen Erkrankung kommt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erst dann in Betracht, wenn alle im konkreten Fall möglichen Behandlungsoptionen ausgeschöpft sind und damit eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit nicht mehr möglich ist (Fortführung LSG München, Urteil vom 21.03.2012, Az. L 19 R 35/08).
2. Auch bei einer über sechs Monate andauernden Arbeitsunfähigkeit liegt nicht automatisch eine befristete volle Erwerbsminderung vor, soweit es sich um eine planmäßig behandelbare Gesundheitsstörung handelt (hier: Sprunggelenksfraktur).
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.07.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger einen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Der 1961 geborene Kläger erlernte von 1981 bis 1983 den Beruf eines Steinmetzes und übte diesen - mit witterungsbedingten Unterbrechungen in den Wintermonaten - in der Folgezeit bis Dezember 2007 aus.
Ein erster Rentenantrag des Klägers vom 26.05.2008 blieb erfolglos und eine sich anschließende Klage beim Sozialgericht Würzburg (S 8 R 721/08) wurde durch Klagerücknahme vom 07.07.2009 beendet.
Im Schwerbehindertenrecht wurde dem Kläger im Gefolge des beim Sozialgericht Würzburg durchgeführten Rechtsstreites S 3 SB 1039/08 mit Bescheid vom 05.11.2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 zuerkannt.
Mit Schreiben vom 08.11.2009 beantragte der Kläger am 10.11.2009 erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Er habe einen dauerhaften Schaden im Bereich des Schultergürtels für den ein Einzel-GdB von 10 festgestellt worden sei und er könne deshalb seinen Beruf als Steinmetz nur noch unter drei Stunden ausüben. Es handele sich um eine dauerhafte Einschränkung.
Beim Kläger bestand seit April 2009 Arbeitslosigkeit. Ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben wurde zurückgestellt, weil vorrangig eine medizinische Rehabilitation zu prüfen sei. Die Anregung der Beklagten zur Durchführung einer suchttherapeutischen Rehabilitation hielt der Kläger nicht für angezeigt.
Der Beklagten lagen ein Gutachten des Chirurgen Dr. G. vom 23.06.2008, ein Gutachten des Orthopäden Dr. H. vom 26.05.2009 und ein Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. F. vom 21.10.2009 vor. Die Beklagte ging in Ansehung der dort enthaltenen Feststellungen davon aus, dass beim Kläger folgende Erkrankungen bestehen würden:
1. Bluthochdruck mit psychovegetativen Störungen.
2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen, Nervenwurzelreizerscheinungen.
3. Funktionseinschränkungen linkes Kniegelenk bei degenerativen Veränderungen.
4. Alkoholkrankheit.
5. Chronische Schulterschmerzen.
6. Sulcus ulnaris-Syndrom beidseits.
Eine zeitliche Einschränkung des Einsatzvermögens des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergebe sich hierdurch jedoch nicht.
Dementsprechend lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2009 den Rentenantrag des Klägers ab.
Auf den Widerspruch des Klägers vom 03.01.2010 hin holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten bei Frau Dr. B. und ein psychiatrisches Gutachten bei Dr. M. ein. Zusammengefasst wurden dort folgende Gesundheitsstörungen beschrieben:
1. Bewegungs- und Belastungseinschränkung im linken Schultergelenk nach Rekonstruktion der Rotatorenmanschette 2003; chronisches Impingement-Syndrom der rechten Schulter bei Nachweis einer Rotatorenmanschettenruptur 2008.
2. Wirbelsäulensyndrom (HWS und LWS) bei degenerativer Veränderung ohne akute Wurzelreizsymptomatik.
3. Kniebeschwerden bei beginnenden degenerativen Veränderungen.
4. Beginnende Abnutzungserscheinungen der Hüftgelenke bei Coxa vara mit Beschwerden links und Trochanter-Enthesopathie links.
5. Wechselnde Polyarthralgien im Bereich der Gelenke der oberen und unteren Gliedmaßen.
6. Gefühlsstörungen am 4. und 5. Finger beidseits - Sulcus ulnaris Syndrom.
7. Krampfaderleiden.
8. Bluthochdruck.
9. Verdacht auf Sarkoidose der Lungen ohne Verschlechterung der Lungenparameter bei Ausschluss einer Obstruktion.
10. Verdacht auf leichten Alkoholmissbrauch.
Unter Berücksichtigung dieser Gesundheitsstörungen könne der Kläger leichte körperliche Arbeiten täglich mehr als sechs Stunden verrichten. Vermieden werden müssten belastende Tätigkeiten für die Schultergelenke wie Arbeiten über der Horizontalen, Haltearbeiten mit den Armen, schwere und mittelschwere Tragearbeiten, monotone Tätigkeiten; ebenso müssten vermieden werden Arbeiten unter Absturzgefahr, Einwirkung von Kälte und Nässe, häufiges Bücken, häufige Kniebeugebelastungen, Gehen auf unebenem Gelände, Klettern und St...