Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf bayerisches Landesblindengeld: Anforderungen an eine Blindenbegutachtung. Ablehnung eines Antrags auf Anhörung eines bestimmten Arztes
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Zweifeln kann ein Sachverständiger die subjektiven Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld nicht nur unter Heranziehung des morphologischen Befundes, sondern auch durch die Durchführung von Plausibilitätskontrollen bzw. objektive Funktionsprüfungen hinterfragen (Fortführung LSG München, 31. Januar 2013, L 15 BL 6/07).
2. Zu den Voraussetzungen der Ablehnung eines Antrags gem. § 109 Sozialgerichtsgesetz.
Orientierungssatz
1. Die Ablehnung eines Beweisantrags gemäß § 109 SGG ist (nur) dann möglich, wenn der Antrag entweder in Verschleppungsabsicht oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. In beiden Fallkonstellationen muss es bei einer Zulassung des Beweisantrags zudem zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits kommen.
2. Eine Verzögerung des Rechtsstreits tritt durch die Einholung eines Gutachtens regelmäßig und jedenfalls dann ein, wenn sich durch die Beweisaufnahme der bereits ins Auge gefasste Zeitpunkt der Beendigung der Streitsache durch bereits erfolgte oder bevorstehende Terminierung verschiebt. Eine Verzögerung wird besonders dann deutlich, wenn der Antrag erstmals in der mündlichen Verhandlung gestellt wird und der Rechtsstreit auch in jeder Hinsicht Entscheidungsreife erlangt hat.
3. Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede zur sorgfältigen Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wurde, was jedem einleuchten muss. Der Beteiligte muss den Antrag spätestens dann innerhalb angemessener Frist stellen, wenn er erkennen muss, dass das Gericht keine (weiteren) Erhebungen von Amts wegen durchführt. Dies ist nicht nur dann anzunehmen, wenn ihn das Gericht auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG hinweist. Bei sachkundigen oder sachkundig vertretenen Klägern genügt auch eine Mitteilung, es seien keine weiteren Ermittlungen vorgesehen, oder die Terminierung des Rechtsstreits ohne weitere Mitteilung.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 6. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) hat.
Die 1950 in Moldawien geborene Klägerin, für die ein GdB von 100 und die Merkzeichen "G", "B", "H" und "RF" festgestellt worden sind, stellte beim Beklagten erstmals 2003 Antrag auf Blindengeld. Nach Ermittlungen lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30.09.2003 den Antrag ab, da die Klägerin nicht blind sei. Hiergegen erhob diese am 05.11.2003 Widerspruch. Zur Begründung legte sie u.a. eine Bescheinigung des Gesundheitsministeriums der Republik Moldawien vor. Danach sei die Klägerin auf Grund eines medizinischen Gutachtens über die Arbeitsfähigkeit vom 20.09.1991 in die "Invaliditätsgruppe 2" eingestuft worden, Invaliditätsursache sei sehbedingte Invalidität seit der Kindheit. In einem vom Beklagten eingeholten Befundbericht des Augenarztes Dr. R. vom 15.01.2004 wurde u.a. ein Visus am linken Auge von 1/25 festgestellt. Mit Widerspruchsbescheid vom 29.01.2004 wurde der Widerspruch daraufhin als unbegründet zurückgewiesen.
Am 13.03.2006 "wiederholte" die Klägerin ihren Blindengeldantrag und verwies dabei auf eine Verschlechterung ihres Sehvermögens. Der Beklagte holte erneut einen Befundbericht und ein Gutachten ein. In Letzterem stellte der Augenarzt Dr. H. u.a. fest, dass die Gesichtsfeldangaben unbrauchbar seien. Der anatomische Augenbefund habe sich gegenüber der Voruntersuchung nicht merklich verändert; er erlaube nicht die Annahme, dass das Gesichtsfeld auf unter 30 Grad eingeengt sei. Der Beklagte lehnte daraufhin den erneuten Antrag wiederum ab. Im Bescheid vom 29.06.2006 stellte er fest, dass die Sehschärfe auf dem besseren linken Auge 1/30 betrage. Eine Gesichtsfeldbestimmung habe keine verwertbaren Ergebnisse erbracht. Es bestünden begründete Zweifel am Vorliegen von Blindheit, nachdem sich die Klägerin sicher und völlig frei im Raum bewegen hätte können.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, der u.a. damit begründet wurde, dass letztere Feststellung unzutreffend sei. Im Widerspruchsverfahren wertete der Beklagte einen ärztlichen Bericht des behandelnden Augenarztes Dr. K. aus und beauftragte Prof. Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens. Am 27.11.2006 kam dieser zum Ergebnis, dass Blindheit nicht bestehe. Auch wenn die subjektiven Angaben der Klägerin hinsichtlich Sehvermögen und Gesichtsfeld dieses nahelegen würden, bestünden doch aus morphologischer und allgemeiner Einschätzung erhebliche Zweifel an einer Blindheit im Sinne des BayBlindG. Für ihn, Prof. Dr. K., ergebe sich der Eindruck, dass die Klägerin stark aggraviere. Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.01....