Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfungsverfahren. Zeitliche Begrenzung für die Nachzahlung von Sozialleistungen. Isolierte Rücknahme eines rechtswidrigen Bescheids

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der am 01.04.2011 in Kraft getretenen Vorschrift gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II werden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nur für ein Jahr rückwirkend erbracht, wenn der Antrag auf Überprüfung nach dem 31.03.2011 gestellt worden ist.

2. Die nach Rücknahme eines Bewilligungsbescheids gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche neue Entscheidung über den Leistungsanspruch ist in jeder Hinsicht nach Maßgabe des geltenden Rechts zu treffen. Es gibt keinen Bestandsschutz einzelner Berechnungselemente.

 

Normenkette

SGB II § 40 Abs. 1, § 77 Abs. 13; SGB X § 44 Abs. 4

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 20. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Streitig sind noch die Überprüfung und Nachzahlung von Leistungen für den Zeitraum November 2006 bis April 2010.

Der Kläger lebt in einem Haus mit zwei Wohnungen, das er mit seiner Ehefrau 2002 auf Kreditbasis erworben hatte. Zusammen mit seiner Familie (Ehefrau und zwei seiner Söhne) bewohnt er die größere Wohnung, die kleinere Wohnung ist seit 2005 an einen seiner Söhne und dessen Familie vermietet. Die Bedarfsgemeinschaft des Klägers bezieht seit 2006 laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Für den Zeitraum November 2006 bis April 2010 bewilligte der Beklagte Leistungen mit Bescheiden vom 06.12.2006, 11.05.2007, 30.11.2007, 15.05.2008, 31.10.2008, 05.05.2009 und 26.10.2009 (jeweils mit Änderungsbescheiden).

Nachdem der Kläger wegen einer erheblichen Leistungskürzung für die ab Mai 2010 zustehenden Leistungen Widerspruch eingelegt hatte, erfolgte eine Neuberechnung der Kosten der Unterkunft, die zu einer Erhöhung der Leistungen um mehrere Hundert Euro monatlich führte (Änderungsbescheide vom 30.08.2010 und 17.11.2010). Daraufhin stellte der Kläger am 24.11.2010 Antrag auf Überprüfung des gesamten Bewilligungszeitraums von 2006 bis April 2010 und beanstandete, dass in diesem Zeitraum die gesamten Mieteinnahmen als Einkommen angerechnet worden seien, ohne die anteilig auf diese Wohnung entfallenden Kosten abzuziehen. Am 04.02.2011 beantragte ein Rechtsanwalt nochmals die Überprüfung der den Kläger betreffenden Bewilligungsbescheide nach dem SGB II. Das Überprüfungsverfahren führte zu einer Nachzahlung von mehreren Tausend Euro (Änderungsbescheide vom 25.07.2011 und 15.12.2011). In der den Widerspruchsbescheiden vom 30.11.2011, 01.12.2011 und 22.12.2011 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung wurde jeweils darauf hingewiesen, dass gegen diese Entscheidung jeder Betroffene innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage zum Sozialgericht Augsburg erheben könne.

Zum Betreff "Weiterer Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X" stellte der Kläger mit Schreiben vom 19.01.2012 am 25.01.2012 beim Beklagten einen Überprüfungsantrag mit dem Ziel der Überprüfung der Positionen Versicherungspauschale (mit Nennung der Bescheide vom 02.12.2010, 26.03.2011, 24.05.2011, 21.09.2011, 31.10.2011, 26.11.2011), Warmwasserkosten für die Zeit ab 2008 (mit Nennung der Widerspruchsbescheide vom 01.12.2011 und 22.12.2011) und Hausstrom für den Zeitraum ab November 2006.

Nachdem der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 01.02.2012 zunächst abgelehnt hatte, fertigte er im Widerspruchsverfahren die den Leistungszeitraum von Januar 2011 bis Mai 2012 betreffenden Änderungsbescheide vom 03.05.2012, mit denen dem Anliegen des Klägers insoweit Rechnung getragen wurde, als für die Zeit ab 01.01.2011 Stromkosten für den Betrieb der Heizungsanlage übernommen und Heizkosten ohne Abzug der Warmwasserkosten geleistet wurden. Im Übrigen wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass bei Leistungen nach dem SGB II § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe gelte, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahre trete. Im Rahmen des am 19.01.2012 gestellten Überprüfungsantrags könne somit nur noch der Zeitraum ab dem 01.01.2011 überprüft werden. Die Versicherungspauschale in Höhe von 30 € könne beim Kläger nur berücksichtigt werden, wenn Einkommen angerechnet werde. Da bei ihm kein Mieteinkommen mehr angerechnet werde, könne diese auch nicht mehr vom Einkommen abgezogen werden und komme folglich nicht mehr zur Geltung. Ein weiterer auf die Anrechnung des Kindergelds und die Bedarfe für Bildung und Teilhabe bezogener Überprüfungsantrag des Klägers vom 19.06 2012 hatte Erfolg (Änderungsbescheide vom 05.07.2012 bezüglich der Leistungen ab 01.01.2011).

Der Kläger hat...

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