Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Kniegelenk-Totalendoprothese. Versorgungsauftrag. Unfallchirurgie
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob der Versorgungsauftrag eines bayerischen Krankenhauses im Jahr 2011 die Implantation von Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP) umfasste.
2. Bezogen auf den Krankenhausplan des Freistaates Bayern 2011 umfasst die Chirurgie auch die Unfallchirurgie.
3. Der Versorgungsauftrag "Unfallchirurgie" umfasst die Versorgung von Versicherten mit einer Knie-TEP.
4. Die Auslegung des Begriffs "Unfallchirurgie" anhand der WBO 2011 ergibt, dass die Implantation von Knie-TEP zum Tätigkeitsfeld der Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie zählt.
5. Zur Prognose bei mindestmengenrelevanten Leistungen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 01.12.2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird auf insgesamt 14.889,07 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Versorgungsauftrag des vom Kläger betriebenen St. A. Krankenhauses (KH) im Jahr 2011 die Implantation von Kniegelenk-Totalendoprothesen (Knie-TEP) umfasste.
Das KH war im Krankenhausplan des Freistaats Bayern für 2011 als Plankrankenhaus für Chirurgie (69 Betten), Gynäkologie und Geburtshilfe (19 Betten), HNO (3 Betten) und Innere Medizin (74 Betten) aufgeführt.
2011 wurde in dem KH den bei der Beklagten gegen Krankheit versicherten Patientinnen D. und C. jeweils eine Endoprothese an einem Kniegelenk implantiert. Hierfür stellte der Kläger der Beklagten 7.293,29 Euro (D.) und 7.285,78 Euro (C.) in Rechnung. Beide Rechnungen wurden von der Beklagten zunächst beglichen.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 20.11.2015 gab die Beklagte an, dass eine Vergütung nicht möglich sei, da die in Rechnung gestellte Versorgung der jeweiligen Patientin mit einer Knie-TEP als orthopädische Behandlungsmaßnahme vom Versorgungsauftrag des KH nicht umfasst sei. Ein Vergütungsanspruch außerhalb des Versorgungsauftrags, ohne dass ein Notfall vorliege, bestehe nicht. Insoweit könne der Kläger keine Vergütung beanspruchen, selbst wenn die Leistung ansonsten ordnungsgemäß erbracht worden sei. Zwar sei berufsrechtlich der Einsatz einer Knie-TEP sowohl durch einen Orthopäden als auch durch einen Unfallchirurgen möglich, jedoch sei die Endoprothetik im Leistungskatalog der Orthopädie als ein spezielles orthopädisches Behandlungsverfahren hervorgehoben. Insoweit seien sämtliche endoprothetischen Eingriffe, die im konkreten Einzelfall medizinisch vorbereitet werden könnten und daher zu den planbaren Leistungen gehörten, krankenhausplanerisch der Orthopädie zuzurechnen. Da der Kläger über keine orthopädische Fachabteilung verfüge, könne eine Vergütung der Krankenhausleistung nicht erfolgen. Insbesondere verwies die Beklagte hierbei auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.11.2014 (Az. B 3 KR 1/13 R).
Die Beklagte rechnete mit den geltend gemachten Erstattungsansprüchen gegen andere unstreitige Vergütungsforderungen auf.
Mit Schriftsätzen vom 04.12.2015 entgegnete der Kläger, dass das von der Beklagten genannte Urteil des BSG die Abrechenbarkeit einer Knie-TEP in Brandenburg betroffen habe. Entscheidend habe das BSG hierbei darauf abgestellt, dass einer Unfallchirurgie dieser Eingriff untersagt sei, solange der Versorgungsauftrag nach dem Landeskrankenhausplan nur die Chirurgie, nicht aber die Orthopädie umfasse. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege habe insoweit jedoch angegeben, dass es den bayerischen Krankenhausplan so verstehe, dass innerhalb der dort aufgezählten Fachrichtungen grundsätzlich diejenigen Leistungen erbracht werden könnten, die nach der aktuell gültigen Weiterbildungsordnung der Ärzte (WBO) erbracht werden dürften. Sofern es hierbei zu Überschneidungen komme, sei hiergegen nichts einzuwenden. Gerade im hier streitigen Fall um die Fachrichtung der Orthopädie müsse auch die Besonderheit beachtet werden, dass die Orthopädie nicht mehr als eigenständiges Gebiet in der WBO vorgesehen, sondern seit dem Jahre 2004 im Gebiet der Chirurgie beim Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit enthalten sei. Die Krankenhausplanung sehe daher lediglich für Kliniken, die ausschließlich Ärzte beschäftigten, die einen Facharzt für Orthopädie nach der alten WBO erworben haben, weiterhin die Fachrichtung der Orthopädie (noch) als eigenständiges Fachgebiet vor. Unter Beachtung dieser Gemengelage folge, dass Leistungen, die nach dem Berufsrecht von Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie erbracht werden dürften, sowohl in Krankenhäusern mit der Fachrichtung Chirurgie als auch mit der Fachrichtung Orthopädie erbracht werden könnten.
Hierauf erwiderte die Beklagte jeweils am 15.12.2015, dass laut dem aktuellen Feststellungsbescheid der Kläger im Krankenhausplan mit 69 Betten ...