Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Nachbesetzung frei werdender Arztstellen in gesperrtem Planungsbereich wegen Überversorgung. keine Geltung der Sechs-Monatsfrist bei Arztstellen mit einem Beschäftigungsumfang von ¼. keine Differenzierung nach originären und weiteren ¼-Arztstellen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Recht auf Nachbesetzung einer vakant gewordenen 1/4 Arztstelle ist auch dann nicht zeitlich begrenzt, wenn die Arztstelle, aus der diese 1/4 Arztstelle entstanden ist, noch mit dem gleichen Arzt besetzt ist. Eine unterschiedliche Behandlung zwischen einer originären 1/4 Arztstelle und sonstigen, durch Teilung bei Verbleib des Arztes im MVZ nachzubesetzenden 1/4 Arztstellen ist bedarfsplanerisch nicht gerechtfertigt.

2. Allerdings gilt bei Anzeichen von Missbrauch auch für durch Teilung bei Verbleib des Arztes im MVZ entstandene 1/4 Arztstellen die vom BSG im Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R = BSGE 109, 182 = SozR 4-2500 § 103 Nr 8 aufgestellte Modifizierung der zeitlich nicht begrenzten Nachbesserungsmöglichkeit.

 

Normenkette

SGB V § 95 Abs. 2, § 101 Abs. 1 S. 7, § 103 Abs. 4a

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.05.2016; Aktenzeichen B 6 KA 28/15 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beigeladenen zu 1) gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 9. Juli 2014, S 38 KA 305/13, wird zurückgewiesen.

II. Die Beigeladene zu 1) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) mit Vertragsarztsitz in A-Stadt, das in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird.

Zum 31.3.2007 verzichtete Dr. P auf seine vertragsärztliche Zulassung, um diese in das MVZ der Klägerin einzubringen. Mit Beschluss vom 28.2.2007 genehmigte der Zulassungsausschuss Ärzte Niederbayern der Klägerin die Beschäftigung von Dr. P im Umfang von 40 Wochenstunden (Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 1,0) mit Wirkung ab 1.4.2007. Mit Beschluss vom 24.2.2010 stellte der Zulassungsausschuss eine Reduzierung der Arbeitszeit von Dr. P auf 30 Wochenstunden (Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 0,75) ab dem 1.4.2010 fest. Zudem genehmigte der Zulassungsausschuss die Anstellung von Dr. C., dem Beigeladenen zu 8), im Umfang von zehn Wochenstunden.

Mit weiterem Beschluss vom 7.12.2011 stellte der Zulassungsausschuss eine zweite Reduzierung der Arbeitszeit des Dr. P. zum 1.10.2011 auf 20 Wochenstunden (Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 0,5) fest.

Am 25.11.2011 beantragte die Klägerin die Genehmigung der Beschäftigung von Dr. T. im Umfang von zehn Wochenstunden zum 1.1.2012 zur Nachbesetzung der zweiten Stundenreduzierung von Dr. P. In den folgenden Monaten vertagte der Zulassungsausschuss mehrfach eine Entscheidung über diesen Antrag, da dem Ausschuss nicht alle angeforderten Unterlagen, u.a. der Arbeitsvertrag, vorgelegt worden seien. Mit Schreiben vom 13.9.2012 nahm die Klägerin den Antrag auf Genehmigung der Beschäftigung von Dr. T. zurück und stellte gleichzeitig sowie nochmals am 20.9.2012 den Antrag, stattdessen die Arbeitszeit von Dr. C. von zehn auf 20 Wochenstunden zu erhöhen.

Mit Beschlüssen vom 26.9.2012 stellte der Zulassungsausschuss zum einen fest, dass die Genehmigung zur Beschäftigung von Herrn Dr. P. als angestellter Arzt im MVZ zum 30.9.2012 ende und genehmigte zeitgleich zur Nachbesetzung der Arztstelle im Umfang von 0,5 die Anstellung von zwei (weiteren) Ärzten jeweils im Umfang von zehn Wochenstunden.

Ebenfalls mit Beschluss vom 26.9.2012 lehnte der Zulassungsausschuss den Antrag der Klägerin auf Erhöhung des Beschäftigungsumfangs von Dr. C. von zehn auf 20 Wochenstunden unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.10.2011, Aktenzeichen B 6 KA 23/11 R) ab, da die Frist zur Nachbesetzung der frei gewordenen Arztstelle aus der zweiten Arbeitszeitreduzierung des Dr. P. (von 30 auf 20 Wochenstunden) nicht eingehalten worden sei. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Beschluss vom 7.2.2013 (Bescheid vom 18.3.2013) zurück. Das Recht auf Nachbesetzung gemäß § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V könne nur für eine begrenzte Zeit nach dem Freiwerden einer Arztstelle bestehen. In Anlehnung an § 95 Abs. 6 S. 3 SGB V gelte eine Sechsmonatsfrist. Lediglich originäre 1/4-Arztstellen könnten zeitlich unbegrenzt nachbesetzt werden. Hier handle es sich aber um eine originäre ganze Arztstelle mit einem Tätigkeitsumfang von 40 Wochenstunden, so dass eine Frist von sechs Monaten für die Nachbesetzung zu beachten sei. Nachdem Dr. P. seine Tätigkeit zum 1.10.2011 von 30 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden reduziert habe, hätte die Nachbesetzung bis spätestens 1.4.2012 erfolgen müssen. Deshalb sei das Recht auf Nachbesetzung zum Zeitpunkt des 13.9.2012 erloschen. Anhaltspunkte dafür, dass im Hinblick auf einen besonderen Fall des Misslingens rechtzeitiger Nachbesetzbarkeit Veranlassung bestand, die Frist um weitere sechs Monate zu verlän...

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