Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Stützrente. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsakts. rechtswidriger Rentenbescheid. Vertrauensschutz. Bindungswirkung
Orientierungssatz
1. Zum Vorliegen eines Anspruchs auf Stützrente gem § 56 Abs 1 S 2 SGB 7, wenn der Bescheid über die "stützende" Rente zwar rechtswidrig ist (hier: nichtdeutscher Ehegatte einer Spätaussiedlerin), aber nach den §§ 45, 48 SGB 10 nicht mehr zurückgenommen bzw aufgehoben werden kann.
2. Der für eine "gestützte" Verletztenrente zuständige Unfallversicherungsträger ist an die durch Verwaltungsakt oder Urteil getroffenen Feststellungen anderer Unfallversicherungsträger gebunden. Insoweit ist die Prüfung der Voraussetzungen einer Stützrente eingeschränkt (vgl BSG vom 22.1.1981 - 8/8a RU 94/79 = SozR 2200 § 581 Nr 14).
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 23.07.2003 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Entziehung der Verletztenrente (Stützrente) aufgrund des Arbeitsunfalles vom 27.09.1996 streitig.
Der 1947 geborene Kläger erlitt am 27.09.1996 einen Arbeitsunfall. Mit Bescheid vom 06.02.1997 erkannte die Beklagte als Folgen des Arbeitsunfalles an: Bewegungseinschränkung im Lendenwirbelsäulenbereich, Minderung der Rückenmuskulatur, Höhenminderung der Vorderkante durch Einbruch der Deckplatte des 2. Lendenwirbelkörpers nach knöchern fest verheiltem Stauchungsbruch des 2. Lendenwirbelkörpers. Sie gewährte eine Gesamtvergütung für den Zeitraum 21.01.1997 (Ende der Arbeitsunfähigkeit) bis 31.07.1997 nach einer MdE von 20 vH.
Nach Einholung eines Gutachtens des Chirurgen Dr. K. vom 25.02.1998 sprach sie dem Kläger mit Bescheid vom 14.05.1998 vorläufige Rente nach einer MdE von 10 vH ab 01.08.1997 zu. Grundlage für die Stützrente war u.a., dass der Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 29.11.1989 auch Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH erhielt (von der BG für Fahrzeughaltungen -BGF-).
Nach einem weiteren Gutachten des Dr. K. vom 26.05.1999 gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 22.07.1999 Dauerrente nach einer MdE von 10 vH (Stützrente).
Den Unfall vom 29.11.1989 (Wegeunfall) hatte der Kläger in Kasachstan erlitten (Bruch des rechten Fußes). Am 18.08.1993 siedelte er in die Bundesrepublik um und ist seit 23.01.1995 eingebürgert. Die BGF gewährte ihm mit Bescheid vom 27.01.1998 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab 18.08.1993. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe als Aussiedler ab dem Tag des Zuzugs in die Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf Verletztenrente nach den §§ 580, 581 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm den Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG). Als Folgen des Arbeitsunfalles erkannte sie an: Knöchern fest verheilte Brüche des rechten Wadenbeins und des rechten Innenknöchels mit Fehlstellung des Sprungbeins und Verschmälerung des Gelenkspalts: Fehlstellung des Fußes im Sprunggelenk, Einschränkung der Beweglichkeit im oberen sowie im unteren Sprunggelenk, Schwellneigung des Unterschenkels und Schwäche des rechten Beines.
In einem Prüfbericht teilte die BGF der Beklagten am 05.02.2001 mit, der Kläger sei nicht als Spätaussiedler nach § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG), sondern als nichtdeutscher Ehegatte eines Spätaussiedlers nach § 7 Abs 2 BVFG anerkannt worden. Ehegatten mit ausländischer Staatsangehörigkeit eines Spätaussiedlers seien grundsätzlich keine Berechtigten nach dem FRG. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7 Abs 2 FRG führe nicht zur FRG-Berechtigung. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente nach dem FRG.
Mit Bescheid vom 25.04.2001 stellte die BGF die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27.01.1998 fest. Dieser könne aber nicht zurückgenommen werden, weil der Kläger auf seinen Bestand vertrauen dürfe. Allerdings dürften alle in Zukunft zu seinen Gunsten eintretenden Änderungen (Erhöhung der MdE und vor allem die jährlich zum 01.07. eintretende Anpassung der Rente) nicht stattfinden.
Mit Bescheid vom 21.06.2001 nahm die Beklagte den Bescheid vom 22.07.1999 insoweit zurück, als die darin auf unbestimmte Zeit festgestellte Stützrente nach einer MdE von 10 vH für die Zukunft entzogen wurde (§ 45 SGB X). Der Leistungsbezug ende mit Ablauf des 30.06.2001.
Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Bescheid vom 09.10.2001 zurück. Sie verwies dabei auf die §§ 45 Abs 1, hilfsweise 48 Abs 1 SGB X und führte u.a. aus, ein rechtswidriger Verwaltungsakt könne nach § 45 Abs 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter bestimmten Einschränkungen zurückgenommen werden. Die Gewährung der Rente sei zu Unrecht erfolgt. Objektiv habe ein Stützrententatbestand nicht bestanden, weil der Kläger nach dem FRG nicht zum rentenberechtig...