Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Relevanz einer psychischen Erkrankung
Leitsatz (amtlich)
Solange zumutbare Behandlungsmöglichkeiten auf psychischem bzw psychiatrischem Gebiet noch nicht versucht bzw noch nicht ausgeschöpft wurden und noch ein entsprechend erfolgversprechendes Behandlungspotential besteht, kann eine dauerhafte quantitative Leistungsminderung nicht auf diese psychische Erkrankung gestützt werden.
Orientierungssatz
Zum Leitsatz vgl BSG vom 12.9.1990 - 5 RJ 88/89 sowie vom 29.3.2006 - B 13 RJ 31/05 R = BSGE 96, 147 = SozR 4-2600 § 102 Nr 2 und LSG München vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08, vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08, vom 18.1.2012 - L 20 R 979/09 sowie vom 15.2.2012 - L 19 R 774/06.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.09.2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin aufgrund ihres Antrags vom 04.09.2003 Anspruch auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung gegen die Beklagte hat.
Die 1970 geborene Klägerin war gelernte Bäckereifachverkäuferin und in diesem Beruf auch bis 1990 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt als Filialleiterin. Von 1990 bis 1997 arbeitete sie als Angestellte in einer Brillenfabrik in Vollzeit. Nach der Eheschließung im Jahr 1997 nahm die Klägerin eine Teilzeitbeschäftigung wiederum als Bäckereifachverkäuferin auf. Im Jahr 1999 wurde ihr erstes Kind geboren. Während der Schwangerschaft mit ihrem zweiten Kind (im 6. Monat) wurde sie am 16.07.2001 in einen Verkehrsunfall verwickelt, aufgrund dessen sie multiple Prellungen der linken Körperhälfte erlitt und für 3 Tage stationär ins Krankenhaus aufgenommen werden musste. Der Entlassungsbericht der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses N. vom 09.08.2001 enthielt die Diagnosen Prellung Thorax, re. OSG, Schürfungen am Hals und re. OSG. Intakte Schwangerschaft in der 27. SSW. Commotio Cerebri. Die Schwangerschaft wurde durch den Unfall nicht in Mitleidenschaft gezogen, das Kind wurde im Dezember 2001 auf natürlichem Wege geboren.
Am 04.09.2003 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Erwerbsminderungsrente mit der Begründung, dass sie seit 17.07.2001 (also einen Tag nach dem erlittenen Verkehrsunfall) sich für erwerbsgemindert halte, die halbe Seite sei chronisch krank.
In der Zeit vom 24.09.2003 bis 29.10.2003 absolvierte die Klägerin eine stationäre medizinische Reha-Maßnahme in der psychosomatischen B.-Klinik in L. wegen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und Adipositas. Aus dieser Reha-Maßnahme wurde die Klägerin mit einem Leistungsbild von 6 Stunden und mehr für ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Verkäuferin sowie mit 6 Stunden und mehr für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen. Die Beklagte lehnte daraufhin mit streitgegenständlichem Bescheid vom 09.01.2004 die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente ab. Trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen in Form einer somatoformen Schmerzstörung, Übergewicht und geringgradiger Veränderungen der Wirbelsäule ohne neurologische Ausfälle sei die Klägerin noch in der Lage Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie sei seit dem Unfallereignis fast täglich in ärztlicher Behandlung und sei nicht mehr in der Lage, den Haushalt und die Kinder zu versorgen. Am 06.02.2004 trug die Klägerin ergänzend vor, dass ihr Zustand sich seit der Reha-Maßnahme weiterhin verschlechtert habe. Sie habe auf Anraten ihres Hausarztes Dr.R. auf eigene Kosten eine Haushaltshilfe und eine Tagesmutter beschäftigt, da sie nicht mehr in der Lage sei dies alleine zu bewältigen. Die Tagesmutter müsse sie schon allein deswegen beschäftigen, da sie durch die fast täglichen Therapien so oft abwesend sei. Sie werde von ihrem behandelnden Neurologen auch stationär in eine Schmerzklinik eingewiesen. Ambulante Schmerztherapien in verschiedensten Formen hätte sie seit ihrem Unfall im Juli 2001 bereits durchgeführt, ohne jedoch den gewünschten Erfolg zu erzielen. Es sei nicht klar, wie sie eine Berufstätigkeit ausüben solle, wenn sie nicht mal in der Lage sei, alltägliche Dinge alleine zu bewältigen.
Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte holte die Beklagte ein nervenärztliches Gutachten von Dr.N. ein, der am 29.04.2004 zu dem Ergebnis kam, dass die Klägerin infolge der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben könne. Auch im zuletzt ausgeübten Beruf als Bäckereifachverkäuferin sei sie allenfalls noch 3 bis unter 6 Stunden einsetzbar. Es bestehe der dringende Verdacht einer somatoformen Schmerzstörung. Der Sachverständige wies darauf hin, dass die Klägerin nach einem an sich relativ harmlosen Autounfall im Juli 2001...