Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. selbst genutztes Hausgrundstück. angemessene Größe. Wohnflächengrenze
Orientierungssatz
Ein selbst genutztes Eigenheim mit einer Wohnfläche von 159 qm ist trotz der geringen Überschreitung der anzuwendenden Wohnflächengrenze des § 39 Abs 1 S 1 Nr 1 WoBauG 2 nach § 12 Abs 3 S 1 Nr 4 SGB 2 als Schonvermögen privilegiert, wenn es bereits vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit erworben und selbst genutzt wurde. Die Verwertung würde eine besondere Härte iS von § 12 Abs 3 S 1 Nr 6 SGB 2 darstellen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 13. Oktober 2005 und der Bescheid vom 13. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2005 aufgehoben und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, den Klägern ab 1. Februar 2005 Arbeitslosengeld II zu zahlen.
II. Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Alg II - streitig.
Der 1949 geborene Kläger zu 1., die 1961 geborene Klägerin zu 2. und der 1992 geborene gemeinsame Sohn G. beantragten am 09.12.2004 die Bewilligung von Alg II. Der Kläger zu 1. bezog bis 29.11.2004 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 38,41 EUR.
Die Kläger bewohnen zusammen mit dem am 27.10.1985 geborenen Sohn I. ein 1999 fertiggestelltes Haus mit einer Wohnfläche von 159 m²; die Grundstücksfläche beträgt 561 m². Das Ehepaar hat das Grundstück nach Abschluss eines notariellen Kaufvertrages vom 20.05.1998 von der Gemeinde zu einem Preis von 127.347,00 DM erworben. Der Verkauf erfolgte im sogenannten Einheimischen-Modell der Gemeinde U. zur Erstellung eines eigengenutzten Wohnhauses und dessen Bezug durch die Erwerber. Zum 01.01.2005 bestanden Darlehensverbindlichkeiten von 67.000,00 EUR. Im Februar 2005 erfolgte eine außerplanmäßige Tilgung in Höhe von 18.422,37 EUR. Die Klägerin zu 2. erzielte aus einer Beschäftigung ein monatliches Bruttoentgelt von 622,12 EUR - netto 419,20 EUR -.
Mit Bescheid vom 13.12.2004 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg II mit der Begründung ab, Hilfebedürftigkeit liege nach den nachgewiesenen Vermögensverhältnissen nicht vor.
Mit dem Widerspruch brachten die Kläger vor, die Eltern hätten zur Tilgung von Schulden, die aus dem Hausbau stammten, auf den Namen der Kinder zur Erlangung von Sparzulagen und günstigeren Sparzinsen Beträge angespart, die ihnen gehörten und inzwischen durch Tilgung von Schulden nicht mehr existierten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.04.2005 wies die Beklagte den Widerspruch unbegründet zurück. Die Vermögenswerte des Klägers zu 1. (Sparkassenbriefe, Lebensversicherung, Rentenversicherung usw.) würden 12.685,33 EUR betragen, die der Klägerin zu 2. 12.627,30 EUR, die Vermögenswerte des Sohnes G. 10.666,72 EUR. Die der Familie zur Verfügung stehende Wohnfläche von 159 m² übersteige die Angemessenheitsgrenze, da für einen Vier-Personen-Haushalt nur eine Wohnfläche von bis zu 90 m² als angemessen erachtet werde. Auch übersteige der maßgebliche Wert des Hausgrundstücks in Höhe von ca. 283.000,00 EUR (Verkehrswert von 350,00 EUR abzüglich der Darlehensverbindlichkeiten von ca. 67.000,00 EUR) den angemessenen Wert. Weiterhin übersteige der mit 9.824,00 EUR - abzüglich der Verbindlichkeiten von 176,00 EUR - zu beziffernde Wert des Kfz die Angemessenheitsgrenze von 5.000,00 EUR. Die Kläger zu 1. und 2. besäßen somit Vermögensgegenstände in Höhe von insgesamt 303.136,63 EUR, denen ein Freibetrag von 21.100,00 EUR gegenüberstehe.
Mit ihrer zum Sozialgericht München (SG) erhobenen Klage haben die Kläger vorgebracht, eine Wohnfläche von 130 m² bei Häusern sowie eine Grundstücksfläche von 500 m² im städtischen Bereich sei immer angemessen. Die tatsächliche Nettowohnfläche des Hauses betrage 128 m², da von den 159 m² zwei Abstellräume, Bäder, ein Vorraum und der Balkon abzuziehen seien. Die in dem notariellen Kaufvertrag eröffnete Möglichkeit einer Einliegerwohnung sei eine vertragliche Nutzungsbeschränkung und nie angedacht worden. Zudem werde der Erwerb des Eigenheimes noch bis 2006 durch eine Eigenheimzulage, von der mittlerweile anerkannt sei, dass sie bei der Bedarfsermittlung unberücksichtigt bleibe, gefördert.
Mit Gerichtsbescheid vom 13.10.2005 wies das SG die Klage ab. Es sei nur noch darüber zu entscheiden, ob das selbstgenutzte Einfamilienhaus als Vermögen zu berücksichtigen sei, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärt habe, dass es sich bei dem Kfz um ein angemessenes im Sinne des § 12 Abs.3 Satz 1 Nr.2 SGB II handele. Bei dem Einfamilienhaus handele es sich nicht um ein nach § 12 Abs.3 Satz 1 Nr.4 SGB II privilegiertes Vermögen. Das Eigenheim der Kläger sei unangemessen groß. Es sei...