Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Softorthese als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
Leitsatz (amtlich)
1. Der Einsatz einer Softorthese steht dann in einem engen Zusammenhang mit der vertragsärztlichen Behandlung, wenn ihr Einsatz eine weiter andauernde ärztliche Überwachung und Kontrolle der Therapie erforderlich macht.
2. Soll ein Hilfsmittel im Rahmen der Krankenbehandlung deren Erfolg sichern, ist seine Verwendung - anders als etwa bei Hilfsmitteln, die dem Behinderungsausgleich dienen - nicht von dem zugrunde liegenden Behandlungskonzept und den dafür geltenden rechtlichen Anforderungen zu trennen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03. Mai 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Kostenerstattung in Höhe von 2.180,16 Euro für eine am 06.11.2017 selbst beschaffte SDO Softorthese.
Die 2016 geborene Klägerin leidet an einem Prader Willi Syndrom. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der S. Klinik, Zentrum für Kinder- und Neuroorthopädie vom 06.04.2017 sowie eines Kostenvoranschlages beantragte die Klägerin am 18.05.2017 die Kostenübernahme für eine SDO-Softorthese. Als Diagnose wurden eine neuromuskuläre Thorakolumbalskoliose sowie eine ausgeprägte Schwäche der Rumpfkontrolle genannt.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2017 mit, dass auf Basis der vorgelegten Unterlagen nicht über den Antrag entschieden werden könne. Weitere Angaben seien bei ihrem Arzt angefordert worden. Nach deren Eingang, spätestens jedoch bis 29.06.2017, erhalte sie weitere Informationen zu ihrem Antrag.
Die Beklagte beauftragte ohne weitere Unterrichtung der Klägerin den MDK mit der Überprüfung der Notwendigkeit der Versorgung der Klägerin mit dem beantragten Hilfsmittel. Dieser erstattete am 19.06.2017 ein Gutachten in dem ausgeführt wurde, dass das Hilfsmittel nicht der Krankenbehandlung, nicht dem Behinderungsausgleich und nicht der Pflegeerleichterung diene. Der medizinische Nutzen im Sinne des § 139 Abs. 4 SGB V sei nicht belegt. Das parallel verordnete Boston-Korsett sei hingegen medizinisch indiziert.
Mit Bescheid vom 20.06.2017 lehnte die Beklagten den Kostenübernahmeantrag ab. Der MDK habe den medizinischen Nutzen nicht bestätigen können. Die Versorgung mit dem Skoliosekorsett sei ausreichend. Es bestehe daher kein Leistungsanspruch.
Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Mutter der Klägerin mit der ärztlichen Bescheinigung der S. Klinik vom 12.07.2017.
Die neuromuskuläre Thorakolumbalskoliose der Kläger werde nachts mit einem Umkrümmungskorsett behandelt. Dieses bewirke jedoch eine Überkorrektur, so dass die Klägerin damit nicht sitzen oder stehen könne. Therapieziel sei das Erreichen einer stabilen Rumpfmuskulatur, so dass die Klägerin längere Zeit stehen oder sitzen könne. Bereits mit der provisorischen Versorgung in Form der elastischen Wicklung des Rumpfes habe die Klägerin eine deutliche Besserung gezeigt. Die SDO-Softorthese diene dem Behinderungsausgleich, da sie das freie Sitzen ermögliche und beuge der Zunahme der Behinderung durch langfristige Kräftigung der Rumpfmuskulatur vor.
Der beauftragte MDK teilte dazu mit, dass medizinisch indiziert, wirtschaftlich und zweckmäßig die Versorgung mit einem Skoliosekorsett sei, welches Tag und Nacht getragen werden könne. Bezüglich der fehlenden Indikation für die SDO-Softorthese wurde auf das erstattete Gutachten verwiesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2017 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die SDO-Softorthese sei nicht im Hilfsmittelverzeichnis genannt und gehöre daher grundsätzlich nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen. Auch handele es sich bei Soft-Orthesen um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für welche gemäß § 135 Abs. 1 SGB V eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses vorliegen müsse. Eine solche gebe es jedoch nicht. Zudem habe der MDK festgestellt, dass die Versorgung medizinisch nicht indiziert sei.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München erhoben und vorgetragen, dass ein Umkrümmungskorsett für die Nacht sowie eine SDO-Softorthese für tagsüber verordnet worden sei. Die Soft-Orthese werde zur Rumpfstabilisierung und Aufrichtung benötigt. Bei der Versorgung mit Orthesen handele es sich nach der Rechtsprechung um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei welchem ein darüberhinausgehender therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen werden müsse. Auch eine Kosten-Nutzen-Abwägung habe hier nicht zu erfolgen. Es gebe auch kein günstigeres Hilfsmittel, welches in gleicher Weise den Ausgleich bringe. Nicht jede Orthese sei Teil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Das LSG Hessen (Urteil vom 19.06.2008, L 8 KR 69/07) habe die Softorthese als Hilfsmittel zum unmittelb...