Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung eines restless-legs-Syndrom bei der Bildung des GdB
Leitsatz (amtlich)
Ein im Wesentlichen durch Missempfindungen und Bewegungsdrang in Ruhe-Nachtzeiten und dadurch gestörten Nachtschlaf gekennzeichnetes restless-legs-Syndrom ist bei der Bildung des Grades der Behinderung nach den Grundsätzen für die Bewertung eines Schlafapnoe-Syndroms nach Teil B Nr. 8.7 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) zu bewerten.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 05.07.2022 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Herabsetzung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50 auf 30 nach Ablauf der Heilungsbewährung.
Der Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 13.05.2015 einen GdB von 50 festgestellt und dabei eine Erkrankung der Brust rechts in Heilungsbewährung berücksichtigt.
Der Beklagte leitete mit Schreiben vom 03.03.2020 eine Nachprüfung ein. Er holte hierzu Befundberichte des behandelnden Psychiaters K. vom 18.03.2020 und der behandelnden Frauenärztin B. vom 09.04.2020 ein. Frau B. teilte mit, die Klägerin habe sich bei ihr ab März 2019 wegen Schmerzen zunächst in der rechten Brust, später auch in der linken Brust vorgestellt. Die Narbenverhältnisse seien reizlos. Sie verwies auf Befunde des Brustzentrums im Krankenhaus D., nach denen sich ebenfalls unauffällige Untersuchungsergebnisse ergeben hätten. Nach dem Befundbericht des behandelnden Psychiaters vom 18.03.2020 habe bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig schwerer Episode mit psychotischen Symptomen bestanden. Es bestehe eine organische Halluzinose sowie ein restless-legs-Syndrom (nachfolgend RLS). Die Klägerin beziehe eine befristete Erwerbsminderungsrente. Herr K1 gab den psychopathologischen Befund wie folgt wieder: wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert, im Kontakt freundlich und kooperativ, altersentsprechend angezogen, affektiv niedergedrückt, die Schwingungsfähigkeit reduziert, Antrieb gemindert, psychomotorisch unruhig, im formalen Denken verlangsamt und eingeengt; als psychotische Symptome würden optische Halluzinationen beschrieben; Aufmerksamkeitskonzentration und Merkfähigkeit seien herabgesetzt.
Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 11.05.2020 zur beabsichtigten Herabsetzung des GdB auf 30 an.
Mit Bescheid vom 15.06.2020 setzte der Beklagte den festgestellten GdB ab dem Tag nach Bekanntgabe des Bescheides auf 30 herab. In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Ursprungsbescheides vorgelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung eingetreten. Die wesentliche Änderung bestehe im Ablauf der Heilungsbewährung. Der aktuellen Feststellung des GdB seien folgende Gesundheitsstörungen zugrunde gelegt worden:
1. Seelische Störung und chronisches Schmerzsyndrom, Einzel-GdB 30
2. Restless-Legs-Syndrom, Einzel-GdB 20
3. Teilverlust der Brust rechts mit Restbeschwerden, Einzel-GdB 10
Mit dem am 09.07.2020 erhobenen Widerspruch machte der Bevollmächtigte der Klägerin geltend, dass hinsichtlich des RLS der Einzel-GdB zu gering bemessen sei. Nach den vom behandelnden Psychiater gestellten Diagnosen einer schweren depressiven Episode mit psychotischen Symptomen und organischer Halluzinose sei von einer schweren psychischen Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten auszugehen. Eine schwere depressive Episode habe bereits 2019 bestanden. Hierzu wurde der Entlassbrief des Klinikums F. vom 04.06.2019 über eine stationäre psychiatrische Behandlung vom 09.05.2019 bis 04.06.2019 übersandt. Dort wurden als Diagnosen eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine generalisierte Angststörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie ein RLS angegeben. Die Entlassung der Klägerin erfolgte am 04.06.2019 in stabilem psychophysischen Zustand.
Der Beklagte holte einen Befundbericht von Herrn Z., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, vom 03.08.2020 ein. Herr Z. teilte als Diagnosen u.a. mit:
- schweres RLS
- rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelschwere Episode
- chronische Angststörung, Verdacht auf generalisierte Angststörung
- anhaltende somatoforme Schmerzstörung
Die unruhigen Beine seien auch unter fachgerechter Behandlung mit Dopaminagonisten, Eisen- und Vitamin B12-Substitution nur wenig zu bessern und würden weiterhin Schlafstörungen bewirken. Die antidepressive Behandlung und die Psychotherapie würden fortgeführt, Venlafaxin (mit Quetiapin) sei im Klinikum F. auf Agomelatin umgestellt worden, darunter leichte Besserung, der Hausarzt habe auf Omipramol umgestellt, was die Patientin selbst abgesetzt habe. Die Patientin sei weiterhin deutlich depressiv und diffus ängstlich, mit erheblicher Somatisierung. Die soziale Anpassungsfähigkeit und die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit seien deutlich reduziert.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2020 zurück.
In dem sic...