Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Versicherungsschutz bei Beschulung und intensiv pädagogischer Betreuung im Ausland
Leitsatz (amtlich)
1. Der Begriff der allgemeinbildenden Schule in § 2 Abs. 1 Nr. 8b SGB VII ist weit auszulegen. Entscheidend ist, dass an ihnen die Schulpflicht erfüllt werden bzw. an ihnen die mittlere Reife bzw. die Hochschulreife erreicht werden kann. Erfasst werden Schulen jeder Art und Form.
2. Die Eintragung in ein Schülerverzeichnis begründet für den Kläger nicht eine Art „Formalversicherung“ im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung.
3. Für eine Jugendhilfemaßnahme (Hilfe zur Erziehung) nach § 27 i.V.m. § 35 und §§ 39, 40 SGB VIII (intensive pädagogische Einzelbetreuung) besteht kein Versicherungstatbestand nach dem SGB VII.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. Januar 2018 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungskläger begehrt von der Beklagten und Berufungsbeklagten die Anerkennung eines Ereignisses vom 28. Februar 2002 als Arbeitsunfall (Schulunfall) im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Der am 1985 geborene Kläger teilte der Beklagten erstmals am 8. Oktober 2012 mit, dass er am 28. Februar 2002 im Sportunterricht im Ausland (Ungarn) einen Unfall gehabt habe. Eine Unfallanzeige war damals nicht erfolgt. Der Kläger legte einen ärztlichen Entlassungsbericht aus einem Krankenhaus in G / Ungarn vom 20. Oktober 2015 über eine stationäre Behandlung vom 4. bis 8. März 2002 vor. Darin wurde zum Krankheitsverlauf vermerkt, dass der Kläger am 28. Februar 2002 beim Fußballspielen mit dem linken Fuß hängen geblieben und mit dem Knie umgeknickt sei. Bei einer Arthroskopie war ein Riss des vorderen Kreuzbands festgestellt worden.
Der Kläger und seine Eltern waren zumindest seit Mai 2001 mit dem Stadtjugendamt München im Gespräch. Als Folge dieser Gespräche und einer jugendgerichtlichen Anordnung erhielten die Eltern für den Kläger beginnend ab 24. September 2001 Hilfe zur Erziehung in Form einer Unterbringung im Evangelischen Jugenddorf R (Rechtsträger: Diakonie-Hilfswerk Schleswig-Holstein nunmehr Beigeladene zu 2) nach § 27 i.V.m. § 35 (intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung) und §§ 39, 40 Sozialgesetzbuch Achtes Buch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Dies sowie die Kostenübernahme dafür waren von der Landeshauptstadt München, Stadtjugendamt, mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 bewilligt worden. Die Landeshauptstadt München, Stadtjugendamt, schloss ihrerseits mit dem Evangelischen Jugenddorf R am 25. September 2001 eine Unterbringungsvereinbarung.
Die Betreuung des Klägers durch das Evangelische Jugenddorf erfolgte im Rahmen des Auslandsprojektes "Ungarn - G". Dabei handelte es sich um ein erlebnispädagogisch orientiertes Auslandsprojekt, in dessen Rahmen für den Kläger auch die Möglichkeit bestand, sich auf die externe Hauptschulabschlussprüfung vorzubereiten, die der Kläger dann auch bestanden hat. Vorgelegt wurden hierzu
- ein Zwischenzeugnis der Jugenddorfschule (Externer Hauptschulabschlusskurs R, Schuljahr 2001/2002) vom 25. Januar 2002 mit Noten in den Fächern Deutsch, Mathematik, Geschichte / Wirtschaft / Politik, Erdkunde, Biologie sowie Physik / Chemie und
- ein Zeugnis des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein über die Prüfung für Nichtschüler zum Erwerb des Hauptschulabschlusses vom 25. Juni 2002, wonach der Kläger die Prüfung für Nichtschüler in den Fächern Deutsch, Mathematik, Englisch, Erdkunde, Geschichte, Biologie und Physik / Chemie abgelegt und bestanden hatte. Das Zeugnis enthielt den Hinweis: "Dieser Abschluss entspricht dem Abschluss der Hauptschule."
Über das "Förderzentrum Lernen der Stadt R" legte der Kläger außerdem einen Auszug aus dem Schulhauptbuch VI der C - Förderschule - (C; diese wurde 2008 mit einer anderen Schule zum "Förderzentrum Lernen" fusioniert) für das Schuljahr 2001/2002 vor, in dem er als "schulpflichtiges Kind" eingetragen war. Seitens des "Förderzentrums Lernen" wurde mit Schreiben der Sonderschulrektorin J vom 30. April 2013 weiter mitgeteilt, dass der Kläger Schüler der C gewesen sei und die "Durchgangsklassen für Erziehungshilfe", eine Außenstelle der Schule, besucht habe. Zum Unfallzeitpunkt sei er in einem von der evangelischen Jugendhilfe, dem Sachkostenträger der Durchgangsklassen, durchgeführten Projekt in Ungarn beschult worden. Dabei habe es sich um regulären Unterricht gehandelt, der von Lehrkräften der evangelischen Jugendhilfe mit dem Ziel geleitet worden sei, den externen Hauptschulabschluss zu erwerben. Der hier streitgegenständliche Unfall sei der Schule im Jahr 2002 nicht gemeldet worden (Telefonvermerk vom 30. April 2013).
In einem Telefongespräch (Telefonver...