Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Nachfolgezulassung. Befugnis der KÄV zur Bewerbungsfristsetzung als behördliche Ordnungsfrist. Berücksichtigungsfähigkeit von Bewerbungen nach Ablauf der Bewerbungsfrist. Ermessen bei der ausnahmsweisen Berücksichtigung verspäteter Bewerber. Wiederholung der Ausschreibung bei Scheitern der Übergabe aus vom Praxisgeber zu vertretenden Gründen
Orientierungssatz
1. Die Kassenärztliche Vereinigung hat bei der Ausschreibung einer Nachfolgezulassung eine Befugnis zur Setzung einer Bewerbungsfrist, die als behördliche Ordnungsfrist grundsätzlich auch rückwirkend verlängerbar ist.
2. Der Anspruch eines Bewerbers für die Nachbesetzung einer Vertragsarztsitzes auf Chancengleichheit im Auswahlverfahren wird verletzt, wenn diesem ein Bewerber vorgezogen wird, dessen Bewerbung nach Schluss der von der Kassenärztlichen Vereinigung gesetzten Bewerbungsfrist und nach Abgabe der Bewerbungsunterlagen an den Zulassungsausschuss eingegangen war.
3. Eine ausnahmsweise Berücksichtigung verspäteter Bewerber ist nur dann ermessensfehlerfrei, wenn allein der verspätete Bewerber berücksichtigungsfähig ist, weil kein anderer Bewerber vorhanden, zulassungsfähig oder fortführungswillig ist. Daneben setzt eine Berücksichtigung sowohl einen Eingang der verspäteten Bewerbung noch vor Abgabe des Verfahrens an den Zulassungsausschuss und zusätzlich das Einverständnis der Abgeberseite voraus.
4. Die Zulassungsgremien sind befugt, die Zulassung mit der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens eines Praxisübernahmevertrages zu verknüpfen. Das Recht auf Wiederholung der Ausschreibung geht immer dann verloren, wenn feststeht, dass der Praxisgeber die Übergabe aus nicht schützenswerten Gründen scheitern ließ.
Tenor
I. |
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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. Januar 2007 aufgehoben. |
II. |
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Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2006 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, über den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid des Zulassungsausschusses vom 8. Februar 2006 gemäß der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. |
III. |
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Der Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge. |
IV. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch auf Nachfolgezulassung im Verfahren nach § 103 Abs. 4 SGB V.
Der ... 2005 verstorbene Dr. W M. war als fachärztlicher Internist zugelassen. Er führte in M-Stadt, S-straße eine Kassenpraxis. Der Verstorbene war in Gemeinschaftspraxis mit Fr. Dr. S. (Job-Sharing-Partnerin) tätig.
Nach dessen Ableben stellte die Erbengemeinschaft (bestehend aus der Ehefrau E M. und den beiden Kindern S. und C M.) einen Nachbesetzungsantrag gemäß § 103 Abs. 4 SGB V. Die KVB schrieb darauf hin im Bayer. Staatsanzeiger vom 07.10.2005 eine "Internistenpraxis fachärztliche Tätigkeit" aus. Im Ausschreibungstext wird ausgeführt, dass "Bewerbungen formlos unter Angabe der Chiffre-Nr. bis spätestens 28.10.2005 an die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns, Kompetenzzentrum Sicherstellung zu senden" seien.
Innerhalb der Frist gingen mehrere Bewerbungen, darunter diejenigen des Klägers und eines Dr. F., ein, deren weiteres Schicksal (z. B. Bewerbungsrücknahme) in der Zulassungsakte nur zum Teil wiedergegeben ist. Die Bewerbungen erfolgten zunächst formlos. Die KVB übersandte daraufhin Formblätter und Hinweisschreiben und setzte für die formgerechte Antragstellung eine weitere Frist. Der Kläger bewarb sich daraufhin unter Verwendung der Formblätter und Übersendung der notwendigen Unterlagen.
In der Folgezeit erstellte die KVB eine Bewerberliste, die sie an die Bevollmächtigte der Erbengemeinschaft (Ehefrau E M) sandte und gab die Bewerbungsunterlagen an den Zulassungsausschuss zur weiteren Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens ab.
Dieser bestimmte Termin für den 05.12.2005 an. Der Termin wurde aber abgesetzt, weil die Erbengemeinschaft mitgeteilt hatte, einen neuen Interessenten gefunden zu haben. Mit Schreiben vom 16. Januar 2006 teilte Frau M. im Namen der Erbengemeinschaft dem Zulassungsausschuss mit, dass sich nunmehr Herr Dr. W. (Beigeladener zu 8.) nachträglich um die Übernahme der Praxis beworben habe. Man habe sich nun geeinigt. Dr. W. würde die Praxis schnellstmöglich übernehmen und fortführen. Man bitte nunmehr um Terminierung am 08.02.2006. Mit Schreiben vom 31.10.2005 seien insgesamt neun Ärzte in einer Bewerberliste mitgeteilt worden. Nachbeworben habe sich Dr. B. Man habe allen ein Praxisexpose vorgelegt. Daraufhin haben sich nur noch Dr. S. (Job-Sharing-Partnerin), Dr. F., Dr. B. und Dr. M. (Kläger) gemeldet. Mit allen habe man verhandelt und die Praxiszahlen im Detail vorgelegt, die Mietvertragssituation etc. erörtert. Ein Einvernehmen zur Übertragung habe jedoch nur mit Herrn Dr. W. (Beigeladener zu 8.) erzielt werden können. Trotz abgebrochener Verhandlungen liege seitens der vorgenannten Ärzte keine Erklärung vor, auf die Bewerbung zu verzichten.
Der in den Akten enthaltene Antrag des beig...