Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zulassungsbeschränkung wegen Überversorgung. Anknüpfung an Arztgruppen des Bedarfsplanungsrechts. Recht- und Verfassungsmäßigkeit der Änderung der ÄBedarfsplRL hinsichtlich des Arztgruppenzuschnitts für Chirurgen. Voraussetzungen für einen Sonderbedarf
Orientierungssatz
1. Die Entscheidungen des Landesausschusses gem § 103 Abs 1 SGB 5, insbesondere die Feststellung der Überversorgung und die nach den Vorschriften der Zulassungsverordnung unter Berücksichtigung der Richtlinien des Bundesausschusses erfolgende Anordnung von Zulassungsbeschränkungen knüpfen an die Arztgruppen des Bedarfsplanungsrechts und nicht an die Facharztbezeichnungen der Landesweiterbildungsordnungen an.
2. Die Neufassung der Nr 7 Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte (juris: ÄBedarfsplRL) ist nicht rechtswidrig und verletzt nicht die Berufsausübungsfreiheit des Art 12 GG. Sie verstößt nicht deshalb gegen § 101 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5, weil die allgemeinen Verhältniszahlen nicht aufgrund der Anpassung des bedarfsplanungsrechtlichen Gruppenzuschnitts erhöht worden sind, woraus sich dann eine Erhöhung der Ärztebedarfszahl ergeben könnte.
3. Die Voraussetzungen für einen Sonderbedarf nach § 24 Abs 1 S 1 Buchst d ÄBedarfsplRL liegen vor, wenn unbeschadet der festgestellten Überversorgung, welche nach ihrer Fachgebietsbeschreibung auch ambulante Operationen einschließt, diese Versorgungsform nicht in ausreichendem Maße angeboten worden ist. Insoweit bedarf es für eine Sonderbedarfszulassung keiner Defizitsituation im gesamten Spektrum gebietzugehöriger Operationen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 18. April 2007 sowie seines Bescheides vom 24. August 2006 verpflichtet, über den Antrag auf Erteilung einer Sonderbedarfsangestelltengenehmigung bezüglich des Beigeladenen zu 1. gemäß der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten beider Rechtszüge hat die Klägerin zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3 zu tragen.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Beklagten streitig, der Klägerin die Anstellung des Beigeladenen zu 1. im MVZ zu genehmigen.
Die Klägerin betreibt als BGB-Gesellschaft ein Medizinisches Versorgungszentrum mit Sitz im Planungsbereich N Stadt und Land, in dem Chirurgen, Plastische Chirurgen und Orthopäden tätig sind, die zum Teil die Zusatzbezeichnung Handchirurgie führen.
Mit am 18. August 2005 eingegangenem Antrag begehrte das MVZ, die Anstellung des Beigeladenen zu 1. als Arzt im MVZ gemäß § 95 Abs.2 Sätze 5 bis 8 SGB V zu genehmigen (Vollzeit). Dieser führt seit 2003 die Facharztbezeichnung plastischer Chirurg und seit 2006 auch die Zusatzbezeichnung Handchirurgie. Die Eintragung im Arztregister der KV Hessen erfolgte am 3. Juni 2005.
Die Teilnahme eines Angestellten im MVZ, der letztlich ein Arzt mit eigenem Versorgungsauftrag (Arztstelle) ist, unterliegt in objektiver Hinsicht der Bedarfsplanung.
Zuletzt mit Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen in Bayern nach § 103 Abs.1 SGG vom 13. Dezember 2004, veröffentlicht im Bayerischen Staatsanzeiger am 17. Dezember 2004, war für die Arztgruppe der Chirurgen eine Überversorgung bei einem Versorgungsgrad von 159,9 % festgestellt und eine Zulassungssperre angeordnet worden.
Mit Beschluss des Bundesausschusses Ärzte und Krankenkassen (als Rechtsvorgänger des Gemeinsamen Bundesausschusses) vom 21. Dezember 2006, in Kraft getreten zum 15. Mai 2007, war es zu einer Änderung des Arztgruppenzuschnitts der Bedarfsplanungsrichtlinien gekommen, dergestalt dass (u.a.) die Fachärzte für plastische Chirurgie der Arztgruppe der Chirurgen nach Nr.7 der Bedarfsplanungsrichtlinie-Ärzte ( BeplaR ) zugeordnet worden waren. Bis dahin hatten die Fachärzte für plastische Chirurgie keiner objektiven Zulassungsbeschränkung unterlegen. Eine Anpassung der sog. Verhältniszahlen war - auch bis heute - nicht vorgenommen worden.
Nach dem Hinweis auf die Sperrung stellte der Kläger zusätzlich einen Antrag auf Genehmigung des Angestellten wegen Vorliegens eines Sonderbedarfs sowohl im Hinblick auf ein qualitatives Versorgungsdefizit bzgl. plastisch-chirurgischer und handchirurgischer Leistungen als auch im Hinblick auf die Erbringung ambulanter Operationen.
Der Zulassungsausschuss lehnte die Anträge mit Bescheid vom 25. Januar 2006 ab. Er führte aus, dass in der Stadt N 32 Chirurgen niedergelassen seien. Davon seien sieben Personen Fachärzte für plastische und ästhetische Chirurgie bzw. Fachärzte für plastische Chirurgie. Eine Befragung dieser Chirurgen hätte ergeben, dass noch insgesamt Kapazitäten in Höhe von 2.225 bis 2.425 Leistungen für ambulante Operationen bestünden, 935 Leistungen aus dem Bereich der plastischen Chirurgie und 1565 bis 1765 Leistungen aus dem Bereich der Handchir...