Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnen in einer gemeinsamen Wohnung. Wirtschaftsgemeinschaft. Haushaltsgemeinschaft. Wohnanschrift. Zulässigkeit der Klage. allgemeine Prozessvoraussetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer 17 Jahre bei einer Person in einem Raum in Untermiete wohnt, die gemeinsame Einrichtung nutzt und dort gemeldet ist, lebt nach der Anschauung des praktischen Lebens in einer Wirtschaftsgemeinschaft.

2. Wenn in einer Haushaltsgemeinschaft ein Mitglied nur Einkünfte in Höhe des Regelsatzes erzielt, das andere aber mit seinem Einkommen die Kosten der Unterkunft und seinen Lebensunterhalt abdecken kann, besteht die tatsächliche Unterstützungsleistung im kostenfreien Wohnen, insbesondere, wenn dadurch fast keine Mehrkosten entstehen.

3. Eine Klage ist unzulässig, wenn bei ihrer Erhebung eine Anschrift angegeben wird, unter der der Kläger nicht mehr wohnt.

4. Die ordnungsgemäße Bezeichnung des Klägers mit seiner Wohnungsanschrift ist eine zwingende allgemeine Prozessvoraussetzung.

5. Die Angabe einer aktuellen Adresse des Rechtsschutzsuchenden ist in jeder Lage des Verfahrens erforderlich.

6. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann sich der Sozialhilfeträger nur nicht auf die Vermutungen des § 39 Satz 1 SGB XII (bis 31.12.2010: § 36 Satz 1 SGB XII) berufen. Ein Nachweis des Vorliegens einer Haushaltsgemeinschaft ist aber möglich.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Februar 2010 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Rechtsstreites sind Leistungen wegen Alters und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII). Streitig sind u. a. Aufwendungen für Unterkunft und Heizung; insbesondere, ob der Kläger einer ernsthaften Mietzinsforderung der Zeugin G. ausgesetzt ist und ob die Voraussetzungen eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung vorliegen.

Der Kläger bezieht nach einer Änderung seines Geburtsdatums (§ 33 a SGB I) seit November 2006 eine Regelaltersrente (Beginn: 01.04.2006) in Höhe von 362,75 € (Rentenbescheid vom 28.09.2006 der Deutschen Rentenversicherung Bund - DRV Bund). Seit Anfang 2005 hatte er (nach dem dortigen Antrag war er noch 1943 geboren) Arbeitslosengeld II erhalten und zuvor Arbeitslosenhilfe (SGB III) bezogen.

Gemeinsam mit einer Frau Z. H., einer Freundin der späteren Zeugin G., unterhielt der Kläger aus Kostengründen (Mindesteinzahlbetrag von 1250,00 €) ein gemeinschaftliches Konto. Nicht ausgeschlossen ist, dass der Kläger noch Unterstützung durch eine Schwester erfahren hat.

Der Kläger ist staatenloser Ausländer und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Am 21.09.2006 beantragte er bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Der Kläger hatte schon mehrere Wohnsitze in Deutschland, lebte aber seit 1992 bei der Zeugin G in Untermiete. Dort war er nur bis zum 17.02.2009 melderechtlich erfasst. Zurzeit hält er sich im Iran auf, ohne dass die Adresse bekannt ist.

Im Leistungsantrag gab der Kläger an, der Zeugin G. monatliche Mietzinszahlungen in Höhe von 350,00 € zu schulden. Aus dem von der Zeugin G. am 15.01.1986 geschlossenen Hauptmietvertrag ergibt sich eine Wohnungsgröße von 41,82 qm (ein Zimmer, eine Küche, ein WC und ein Bad) und ein Mietzins von seinerzeit 298,51 €. Mittlerweile beträgt die monatliche Miethöhe nach Auskunft der Zeugin G. 421,00 €. Der Kläger legte ein ärztliches Gutachten vom 22.12.2006 für einen Mehrbedarfszuschlag wegen kostaufwändiger Ernährung vor. Darin diagnostizierte Dr. H. eine Herzerkrankung (Drei-Gefäß-KHK, Zustand nach Myokardinfarkt), die eine fettreduzierte Ernährung verlange. Seit dem Sommer 2009 wird der Kläger wegen eines B-Zell Lymphoms behandelt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.01.2007 Leistungen ab, weil zum einen eine Untervermietung aufgrund der beengten Wohnverhältnisse nicht möglich sei und zum anderen die Zeugin G. laut Mietvertrag dazu gar nicht berechtigt sei. Darüber hinaus habe die Zeugin G. mittlerweile dem Kläger das Mietverhältnis gekündigt. Im Übrigen liege eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft vor und der Kläger verfüge über ausreichend eigene Mittel, so dass kein Hilfebedarf bestehe. Den über die Unterkunftskosten hinaus gehenden Lebensunterhalt könne der Kläger aus seiner Rente bestreiten, so dass sich kein Leistungsanspruch errechne.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch. Er habe sich immer wieder und intensiv um eine andere Unterkunft bemüht. Wegen seiner erfolglosen Wohnungssuche sei die Zeugin G. bereit gewesen, ihre Kündigung zurück zu ziehen und das Untermietverhältnis einstweilen fortzuführen. Eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft habe schon deshalb nicht bestanden, weil er über einen abgrenzbaren Schlafraum verfüge und die Zeugin G. sich aus gesundheitlichen Gründen tagsüber in einer Tagesklinik (Bestätigung des P., einer Tagesstätte für Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung vom 22.01.2007) aufgehalten habe. Auch würden keine gem...

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