Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit der Berufungseinlegung ohne Angabe der Wohnanschrift

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren setzt im Regelfall mindestens voraus, dass im Verfahren auch die Anschrift des Rechtsuchenden genannt wird.

2. Die Angabe eines Postfachs ist keine der Benennung einer Wohnanschrift gleichwertige zweifelsfreie Identifizierungsmöglichkeit.

3. Ein Computerfax wahrt lediglich die vom Gesetz geforderte Schriftform, verlangt aber dennoch die Angabe einer Adresse.

4. §§ 90, 92 SGG sind nach ihrem Sinn und Zweck so auszulegen, dass sie den Rechtsuchenden zumindest dazu verpflichten, eine Anschrift zu nennen (BSG Beschluss vom 18.11.2003, Aktenzeichen: B 1 KR 1/02 S, LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 31.08.2010, Aktenzeichen: L 13 R 3865/09; Bayer. LSG, Beschlüsse vom 13.02.2009, L 7 AS 150/08 und L 7 AS 150/08 und vom 16.02.2009, L 7 AS 160/08).

5. Hinweis auf L 8 SO 3/12 B.

 

Normenkette

SGG §§ 90, 92, 63 Abs. 1 S. 1; SGG Abs. 2 S. 1; SGG § 103 S. 1 Hs. 2, § 128 Abs. 2, § 72 Abs. 2, § 111 Abs. 1 S. 1, § 151 Abs. 1, 3, § 153 Abs. 1, § 156 Abs. 2 Sätze 1-2, § 158 Sätze 1-2, § 160 Abs. 1, §§ 192, 193 Abs. 1; ZPO § 166 Abs. 1, § 185 Abs. 1 Nr. 1, § 188 S. 1

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2011 wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist die behauptete Untätigkeit der Regierung von Oberbayern im Widerspruchsverfahren.

Der Kläger legte am 05.12.2010, 07.12.2010 und 28.01.2011 gegen die Bescheide der Landeshauptstadt A-Stadt vom 25.11.2010 und 06.12.2010 und 18.01.2011 Widerspruch ein. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2011 zurückgewiesen, der laut Empfangsbekenntnis dem Kläger am 05.04.2011 zugestellt wurde. Hiergegen hat der Kläger am 11.04.2011 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben (S 8 SO 196/11).

Der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 23.04.2011, eingegangen beim SG am 29.04.2011, eine Untätigkeitsklage erhoben. Der Widerspruch vom 07.12.2010 (gegen die Bescheide vom 25.11.2010 und 06.12.2010) sei bislang nicht verbeschieden.

Das SG hat die Klage am 14. Oktober 2011 durch Gerichtsbescheid abgewiesen. Über den Widerspruch sei bereits entschieden worden. Es sei auch bereits die Klage in der Hauptsache anhängig. Die Untätigkeitsklage sei damit unzulässig.

Hiergegen hat der Kläger selbst am 26.10.2011 per Fax einen Schriftsatz zum SG angebracht, in dem er sein Missfallen mit der getroffenen Entscheidung bekundet. Insbesondere bestehe er auf der Durchführung einer Hauptverhandlung. Der Ausdruck dieses Fax ist am 31.10.2011 nach Weiterleitung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingegangen. Es fehlt dabei die Angabe einer Adresse. Angegeben war lediglich ein Postfach mit der Nummer ...... in A-Stadt sowie eine E-Mail-Adresse.

Das LSG hat die Widerspruchsakte der Regierung von Oberbayern beigezogen. Ein Termin zur mündlichen Verhandlung am 23.02.2012 ist abgesetzt worden, weil die Ladung des Klägers nicht zustellbar war. Auch die Bekanntgabe durch einfachen Brief ist nicht geglückt.

Mit Beschluss vom 12. März 2012 ist die öffentliche Zustellung verfügt worden. Anschließend erfolgte der Aushang vom 13.03.2012 bis zum 17.04.2012.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts München vom 14. Oktober 2011 zu verurteilen, den Widerspruch des Klägers vom 07.12.2010 gegen die Bescheide der Landeshauptstadt A-Stadt vom 25.11.2010 und 06.12.2010 zu verbescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Akten des Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist fristgerecht eingelegt. Sie ist statthaft. Sie ist aber nicht formgerecht erhoben.

Die Berufung ist schon angesichts des Streitwertes in der Sache zulässig, weil man bei einer Untätigkeitsklage ohnehin nicht von einem bezifferten Streitwert ausgeht.

Der Senat durfte trotz Ausbleibens des Klägers entscheiden, da dieser Kenntnis vom Termin erlangt hat. Die schriftliche Ladung ist aufgrund des Senatsbeschlusses vom 12.03.2012 in der Zeit vom 13.03.2012 bis zum 17.04.2012 im Aushang des Gerichts gewesen. Sie gilt damit nach Ablauf der Frist von einem Monat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung als zugestellt (§ 188 Zivilprozessordnung - ZPO). Die Ladung ist zu Recht öffentlich bekannt gegeben worden (§ 63 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Danach sind Anordnungen und Entscheidungen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird, den Beteiligten zuzustellen. Terminbestimmungen und Ladungen sind bekannt zu geben. Die Zustellung erfolgt von Amts wegen nach den Vorschriften der ZPO. Die öffentliche Zustellung ist zulässig, wenn der Aufenthaltsort einer Person unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nic...

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