Leitsatz (amtlich)
Zur Zurechnung eines Gesundheitsschadens als mittelbare Unfallfolge, wenn der Gesundheitsschaden durch die Heilbehandlung oder Untersuchung rechtlich wesentlich verursacht wurde.
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.05.2010 sowie der Bescheid vom 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, eine Kniegelenksinfektion sowie daraus resultierende Knorpelschäden im linken Knie als Folge des Unfalls vom 05.07.2004 anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.07.2004.
Am 12.07.2004 stellte sich der 1982 geborene Kläger in der Praxis des Durchgangsarztes Dr. P. in A-Stadt vor und gab an, dass er sich am 05.07.2004 beim Heraustreiben von Schweinen aus dem Stall das Knie verdreht habe. Der Vorgang wurde später dahingehend präzisiert, dass ihm die Schweine das vor den Körper gehaltene Treibblech gegen das linke Bein/Knie gedrückt hätten. Der untersuchende Arzt stellte ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 12.07.2004 Schmerzen an der Innenseite des linken Kniegelenkes sowie einen Druckschmerz am Innenmeniskusvorderhorn, aber keinen Kniegelenkserguss fest und diagnostizierte: Verdacht auf Innenmeniskusschaden links bzw. fragliche Einklemmung des Hoffa'schen Fettkörpers. Die Röntgenuntersuchung des linken Knies in zwei Ebenen ergab keine knöcherne Verletzung. In seinem Zwischenbericht am 14.07.2004 erwähnte Dr. P. "anhaltende retropatellare Schmerzen bei erhöhtem Anpressdruck aufgrund anatomischer Variation" und stellte die Indikation zum lateralen Release (limitierte arthroskopische oder auch offene Durchtrennung des lateralen Retinakulums der Kniescheibe). Das MRT vom gleichen Tag ergab eine minimale knöcherne Fissur im Tibiakopf lateral etwa im Niveau der ehemaligen Epiphysenfuge, keine Menikus-kreuzband- oder Kollateralbandläsion, keine relevante Knorpelläsion, ein flach und relativ klein angelegtes IM-Vorderhorn, eine leichte Trochleadysplasie mit lateraler Patelllahyper-pression, eine angedeutete dysplastische Jägerhutform der Patella, minimale oberflächliche Unregelmäßigkeiten des Retropatellarknorpels der lateralen Patellafacette, eine leichte Zerrung des schmal angelegten vorderen Kreuzbandes ohne Rupturzeichen und ein möglicherweise winziges oberflächliches Knorpelflake an der lateralen Patellafacette.
Am 22.07.2004 erfolgte eine Arthroskopie durch Dr. R.. Im von Dr. P. am 22.07.2004 verfassten Operationsbericht wird eine eindeutige Indikation für ein laterales Release festgestellt. Unfallschäden aufgrund des Vorganges vom 05.07.2004 wurden nicht gefunden, jedoch eine Chondropathie Grad III mit tiefen Knorpeleinrissen sowie eine deutliche Lateralisation und ein Auflaufen der Patella auf den lateralen Kondylus bei Beugung. Dr. P. stellte daher aufgrund dieser Diagnosen am 29.07.2004 fest, dass die weitere Behandlung über die Krankenkasse zu erfolgen habe, da keine frische Unfallverletzung vorgelegen habe. In der Folgezeit musste der Kläger wegen einer Infektion im linken Knie mehrfach punktiert und arthroskopiert werden.
Mit Bescheid vom 13.10.2005 (Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006) lehnte die Beklagte Leistungen aus dem Ereignis vom 05.07.2004 ab. Der Geschehensablauf sei grundsätzlich nicht geeignet, einen isolierten Meniskusschaden des linken Knies zu verursachen. Die festgestellten medizinischen Befunde hätten keinen Hinweis für eine unfallbedingt entstandene Verletzung ergeben. Vielmehr hätten sich deutliche degenerative Veränderungen des linken Kniegelenkes gefunden. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung stünden dem Kläger daher nicht zu.
Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er begehrt die Anerkennung des Vorganges als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen.
Das SG hat Gutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt durch die Chirurgen Dr. S. und Dr. D. sowie nach § 109 SGG durch den Unfallchirurgen Prof. Dr. T.. Dr. S. kommt in seinem Gutachten vom 15.01.2007 zu dem Ergebnis, dass am 22.07.2004 ein laterales Release mit einer Knorpelglättung durchgeführt worden sei, strukturelle Schäden durch den Vorgang vom 05.07.2004 hätten jedoch weder im MRT noch bei dieser Arthroskopie gefunden werden können. Der Vorgang habe daher allenfalls zu einer folgenlos ausgeheilten Prellung geführt. Auch der Gutachter nach § 109 SGG, Prof. Dr. T., verweist darauf, dass die Indikation zur Arthroskopie wegen der anlagebedingten Erkrankung erfolgt sei, nicht jedoch wegen der Unfallfolgen. Solche hätten auch nicht gefunden werden können.
Nachdem der Kläger einen weiteren Prozess vor dem Landgericht H. gegen die Vereinigte H.'sche Versicherungs AG geführt hatte (und dort ein Gutachten durch Prof. Dr. S. und ...