Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rücknahme der Berufung per Telefax. keine Anfechtbarkeit bzw Widerrufbarkeit. Missverständnis zwischen Kläger und seinem Bevollmächtigten. Fortführung des Verfahrens
Leitsatz (amtlich)
Die Rücknahme der Berufung mit Telefax ist auch in sozialgerichtlichen Verfahren nicht anfechtbar oder widerrufbar (§ 156 Abs 1 und 2 SGG). Vor allem stellt ein Missverständnis zwischen dem Kläger und seinen Bevollmächtigten keinen Grund dafür dar, das Verfahren nach erklärter Rücknahme der Berufung fortzuführen.
Nachgehend
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06. Januar 2010 erledigt worden ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06.01.2010 beendet worden ist.
Der 1961 geborene Kläger ist am 04.03.1990 im Rahmen seiner Tätigkeit als Chemiearbeiter mit Chlordioxid aus einer zerrissenen Leitung besprüht worden. Nach Schließung der Pumpventile hat er sich geduscht und ist notärztlich versorgt worden. Dabei ist eine Bronchialspastik als Ausdruck einer Bronchialreizung festgestellt und eine stationäre Aufnahme in das Kreiskrankenhaus E. veranlasst worden.
Im Folgenden ist zwischen den Beteiligten streitig geworden, ob die bei dem Kläger vorliegenden Beschwerden insbesondere auf neuro-psychiatrischem und auch auf internistischem Fachgebiet als Folge des Unfalles vom 04.03.1990 anzuerkennen und mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallsversicherung zu entschädigen sind.
Das Sozialgericht München hat mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2008 die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2003 abgewiesen. Der Kläger habe durch den Arbeitsunfall eine Bronchialspastik als Ausdruck einer akuten Bronchialreizung erlitten; eine wesentliche Schädigung innerer Organe sei jedoch nicht ausgelöst worden. Dies habe sich zur Überzeugung des Sozialgerichts München aus den schlüssigen Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. L., Dr. N. und Dr. K. ergeben. Einer weitergehenden Untersuchung bei Prof. Dr. N. zu etwaigen Folgen der toxikologischen Einwirkungen habe sich der Kläger nicht unterzogen.
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 15.10.2008 ist form- und fristgerecht am 20.10.2008 beim BayLSG eingegangen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Telefax vom 04.06.2009 mitgeteilt, man prüfe zurzeit, ob das Berufungsverfahren fortgeführt werden solle.
Nach Terminsanberaumung vom 22.12.2009 (Termin zur mündlichen Verhandlung, ist auf Dienstag, den 19.01.2010 bestimmt worden) haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Telefax vom 05.01.2010 (eingegangen am 06.01.2010) erklärt, dass die Berufung zurückgenommen werde.
Der Kläger selbst teilte mit Telefax vom 15.01.2010 mit, dass es sich hierbei um ein Missverständnis mit seinem Bevollmächtigten gehandelt habe. Der Unfall aus dem Jahr 1990 sei verantwortlich dafür, wie sehr sich sein Leben verändert habe. Er leide hauptsächlich an einem posttraumatischen Belastungssyndrom.
Die Bevollmächtigten des Klägers ergänzten mit Berufungsbegründung vom 10.03.2010, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, was Dr. K. nicht ausreichend gewürdigt habe. Der Facharzt für Allgemeinmedizin W. habe eindeutig auf eine toxische Genese mit neuropathischer und encephaler Beteiligung hingewiesen.
Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 26.03.2010, dass die Berufung als unbegründet erachtet werde. Der Schwerpunkt der Berufungsbegründung beziehe sich auf die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung. Diese habe von Dr. K. ausgeschlossen werden können.
Im Folgenden wurde der Rechtsstreit mit Beschluss des BayLSG vom 01.04.2010 auf den Berichterstatter übertragen.
In Hinblick auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 13.07.2010 erinnerte der nunmehr zuständig gewordene Berichterstatter die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20.07.2010 vorsorglich an das Telefax vom 05./06.01.2010, mit welchem diese die Berufung zurückgenommen haben. Mit Terminsmitteilung vom 14.07.2010 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf Dienstag, den 24.08.2010 bestimmt. Dem Antrag auf Terminsverschiebung vom 20.07.2010 gab das BayLSG entsprechend seiner Nachricht vom 26.07.2010 nicht statt: Aufgrund sich kreuzender Vorgänge hätten die Bevollmächtigten des Klägers den Hinweis des BayLSG vom 20.07.2010 erst am 22.07.2010 erhalten. Nachdem ein reines Prozessurteil zu ergehen habe (Feststellung, dass das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme vom 05./06.01.2010 erledigt worden sei), gehe das BayLSG davon aus, dass nach Maßgabe von § 110 Abs. 1 SGG ohne die Bevollmächtigten des Klägers bzw. ohne die Beteiligten zu entscheiden sei. Auch die Entsendung eines Korre...