Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Sonderbedarf. Wohnungserstausstattung. Umzug. örtliche Zuständigkeit. Maßgeblichkeit des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Antragstellung. kein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit im Falle einer Antragstellung vor dem Umzug
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Antrag auf Bewilligung von Leistungen für Bedarfe der Erstausstattung einer Wohnung im Zusammenhang mit einem Umzug zu einem Zeitpunkt gestellt, zu dem der Leistungsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Bereich des Trägers am Wegzugsort hatte, ist der bisherige Träger für die Leistungserbringung zuständig.
2. Im Fall der Antragstellung vor dem Umzug erfolgt nach dem Umzug kein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit.
3. Eine generelle Zuständigkeit des Trägers am Zuzugsort für die Gewährung von Leistungen für Bedarfe der Erstausstattung einer Wohnung bei einem Umzug besteht nicht.
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 22.11.2019 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 12.09.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2018 verurteilt, dem Kläger Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung i.H.v. 2.084,00 € zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage des Klägers abgewiesen.
III. Der Beklagte wird verurteilt, dem Beigeladenen Leistungen i.H.v. 229,00 € zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung des Beigeladenen zurückgewiesen.
IV. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten seiner Klage in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Kosten des Verfahrens der Widerklage in beiden Rechtszügen hat der Beigeladene zu 9/10 und der Beklagte zu 1/10 zu tragen.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Hinblick auf eine Erstausstattung für eine Wohnung.
Der 1996 geborene Kläger ist äthiopischer Staatsangehöriger und verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 2.Alt Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Er wohnte zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in der Stadt H. und bezog in der Zeit vom 01.07.2017 bis 15.08.2018 Alg II vom Beklagten, ab dem 16.08.2018 sodann vom Beigeladenen.
Mit Mietvertrag vom 08.08.2018 mietete der Kläger ab 16.08.2018 eine Wohnung im Bereich des Beigeladenen an. Am 14.08.2018 ging beim Beigeladenen ein Antrag des Klägers vom 13.08.2018 ein, mit dem er neben der Übernahme der Kaution für die neue Wohnung auch die Gewährung einer "Möbelerstausstattung" beantragte. Mit Fax vom 17.08.2018 leitete der Beigeladenen den Antrag an den Beklagten weiter und verwies darauf, dass im Hinblick auf den Zeitpunkt der Antragstellung und den seinerzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich des Beklagten dieser für die Bewilligung der Wohnungserstausstattung zuständig sei. Gleichwohl lehnte der Beigeladene mit Bescheid vom 29.08.2018 den Antrag auf Bewilligung einer Wohnungserstausstattung unter Verweis auf die Zuständigkeit des Beklagten ab. Mit einem weiteren Bescheid vom 05.09.2018 lehnte der Beigeladene den Antrag auf Bewilligung einer Wohnungserstausstattung nochmals ab und verwies erneut auf die Zuständigkeit des Beklagten.
In einem Schreiben vom 04.09.2018 an den Beigeladenen führte der Beklagte aus, dass die fehlerhafte Ablehnungsentscheidung des Beigeladenen dazu führe, dass der Kläger voraussichtlich seit Mitte August 2018 unter unzumutbaren Bedingungen in seiner Wohnung leben müsse, da er nicht die Möglichkeit habe, sich Einrichtungsgegenstände anzuschaffen, weshalb darum gebeten werde, nach dem Gesetz zu handeln und die Wohnungserstausstattung zu bewilligen. Am 20.09.2018 stellte der Außendienst des Beigeladenen im Rahmen eines Hausbesuchs fest, dass die angemietete Wohnung komplett leer sei. Es solle ein Darlehen für die Erstausstattung bewilligt werden. Dementsprechend bewilligte der Beigeladene mit Bescheid vom 20.09.2018 ein Darlehen "gemäß § 24 Abs. 1 SGB II" als Sachleistung in Form eines Möbelberechtigungs- und Warengutscheins für ein gebrauchtes Einzelbett mit Lattenrost und neuer Matratze (max. 127,00 €), einen gebrauchten Kleiderschrank (max. 60,00 €), eine gebrauchte Küchenzeile mit Herd, Kühlschrank und Standardarmatur (max. 550,00 €) einen gebrauchten Esstisch (max. 45,00 €), zwei gebrauchte Stühle (max. je 10,00 €), einen gebrauchten Wohnzimmerschrank (max. 121,00 €), eine gebrauchte Couchgarnitur (max. 68,00 €), einen gebrauchten Sessel (max. 28,00 €), einen gebrauchten Couchtisch (max. 45,00 €), einen gebrauchten Bad-Spiegelschrank (max. 25,00 €), fünf gebrauchte Deckenlampen (max. je 10,00 €) und eine Waschmaschine (max. 330,00 €) sowie 160,00 € als Geldleistung für Haushaltswaren und Bettzeug. Leistungen für weitere Gegenstände wie Teppiche, Staubsauger, Gardinen, Duschvorhang, etc. sowie weitere Öfen wurden nicht gewährt. Das Darlehen werde nach Ausübung des Ermessens gewährt, weil ein unabweisbarer Bedarf an Wohnungserstausstattung ...