Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung zum 1. Juli 2008
Leitsatz (amtlich)
Die Festsetzung des aktuellen Rentenwerts zum 1. Juli 2008 durch § 1 der Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli 2008 (Rentenwertbestimmungsverordnung 2008 RWBestV 2008, BGBl I S. 1076) entspricht dem einfachen Recht und verletzt auch kein Verfassungsrecht.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Rentenanpassung für das Jahr 2008.
Die Beklagte gewährte der im Dezember 1944 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 ab 1. Februar 2006 Altersrente für Frauen. Sie übersandte der Klägerin eine undatierte Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2008. Danach betrage der für die Höhe der Altersrente des Klägerin maßgebende Betrag des neuen aktuellen Rentenwerts für die Zeit ab 1. Juli 2008 26,56 Euro.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 30. Juli 2008 Widerspruch und trug vor, die Nichtanpassung der Renten verstoße gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, weil Pensionäre in diesem Jahr eine Erhöhung ihrer Pension um 3,1 Prozent erhielten. Die Unterschiede in den Altersvorsorgesystemen gingen auf vordemokratische Zeiten (19. Jahrhundert) zurück. Auch liege ein Verstoß gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor. Dieses habe in seinen Entscheidungen vom 26. Juli 2007 (Az.: 1 BvR 824/03 und 1 BvR 12 47/07) eindeutig festgestellt, dass mit der Rentennullrunde 2004 das Ende der zumutbaren Eingriffe bei den Rentenanpassungen erreicht sei. Sie halte das ganze Rentenrecht für verfassungswidrig und gehe davon aus, dass auch das Bundesverfassungsgericht eines Tages nicht mehr umhinkomme, das Zweiklassenrecht in der Altersversorgung in Deutschland in Frage zu stellen.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 2009 zurückgewiesen. Die Rentenanpassung zum 1. Juli 2008 erfolge durch die Vervielfältigung der für die Klägerin im Rahmen der Rentenberechnung ermittelten maßgeblichen persönlichen Entgeltpunkte mit dem für die Zeit ab 1. Juli 2008 maßgeblichen aktuellen Rentenwert. Der für die Zeit bis zum 30. Juni 2008 im Bundesgebiet maßgebliche aktuelle Rentenwert West habe sich auf 26,27 Euro belaufen. Ab 1. Juli 2008 betrage er nunmehr 26,56 Euro. Dies entspreche exakt einer Erhöhung um 1,1 Prozent. Bei Vervielfältigung dieses Werts mit den für die Klägerin ermittelten persönlichen Entgeltpunkten ergebe sich nunmehr ein Bruttorentenbetrag von monatlich 1.039,26 Euro.
Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids zum 1. Juli 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Januar 2009 zu verpflichten, ihre Rente rückwirkend zum 1. Juli 2008 um wenigstens 3,1 Prozent anzuheben, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob durch die erneute Rentenanpassung weit unter der Einkommensentwicklung und der Teuerungsrate rechtsstaatliche Grundsätze verletzt werden und damit Verstöße u.a. gegen Art. 3, 14, 19 Abs. 1, 2 und 20 Grundgesetz (GG) vorliegen.
Gegen Art. 3, Art. 19 Abs. 1 und 2 sowie Art.14 GG werde verstoßen, da die Rentenanpassung unterhalb der Inflationsrate liege, obwohl die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Versicherten wenigstens eine Anpassung nach Inflationsrate zulasse. Insoweit wirke die existenzsichernde Funktion des individualgrundrechtlichen Renteneigentums. Auch werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, weil Pensionäre eine angemessene Erhöhung ihrer Bezüge um 3,1 Prozent erhalten hätten. Die Aufteilung der Bevölkerung auf verschiedene Altersvorsorgesysteme gehe auf vordemokratische Zeiten zurück. Seit 1981 habe das Bundesverfassungsgericht keinen verfassungswidrigen Eingriff in das Rentenversicherungsrecht mehr gesehen. Das Bundesverfassungsgericht sei konsequent bei seiner Einstellung geblieben, dass im Gegensatz zur Altersversorgung bei Politikern, privat- oder kammerversicherten Selbstständigen sowie Beamten und Richtern für Arbeitnehmer und Rentner in Bezug auf ihre Altersversorgung elementare Grundrechte nicht gelten, sondern dass diese durch politische Gestaltungsfreiheit ersetzt würden. Durchschnittliche Renten (nur Männer) würden nur noch etwa 38 % einer durchschnittlichen Pension und nur noch 46 % der durchschnittlichen berufsständischen Versorgung ausmachen. Bei Beamten und Richtern sei eine angespannte Haushaltslage kein Grund für eine Kürzung der Altersversorgung. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung gelte jedoch der Vorrang für die Sicherung der Finanzen und der Entlastung der öffentlichen Haushalte. Das Bundesverfassungsgericht berücksichtige weiterhin nich...