Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung des Arbeitslosengeld II. Meldeversäumnis. Nichterscheinen zu einem ärztlichen Untersuchungstermin. wichtiger Grund. Verfassungswidrigkeit von Sanktionen. keine Bindung an eine frühere Entscheidung

 

Orientierungssatz

1. Die pauschale Behauptung, dass eine Sanktion verfassungswidrig sei, stellt keinen wichtigen Grund iS von § 32 Abs 1 S 2 SGB 2 dar. Der Leistungsberechtigte befindet sich in einem unbeachtlichen Rechtsirrtum, wenn er meint, deswegen nicht zum Erscheinen zu einem ärztlichen Untersuchungstermin verpflichtet zu sein, der einer Überprüfung seiner Erwerbsfähigkeit dienen soll.

2. Die Wirksamkeit eines Bewilligungsbescheides erschöpft sich regelmäßig mit dem Ablauf des Zeitraumes, für den er erlassen worden ist. Danach hat der Grundsicherungsträger für jeden Folgezeitraum neu sämtliche Leistungsvoraussetzungen (einschließlich der Erwerbsfähigkeit) zu prüfen und hierüber zu entscheiden. An eine frühere Entscheidung ist er nicht gebunden.

 

Tenor

I. Die Berufungen gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 22. August 2013 werden zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Sanktion von 10 % wegen Nichterscheinens der Klägerin zu einem ärztlichen Untersuchungstermin am 30.1.2013 für die Dauer von Juni 2013 bis August 2013 in Höhe von monatlich 34,50 €.

Die Kläger sind verheiratet und leben in einer Bedarfsgemeinschaft miteinander. Sie stehen seit 2009 im laufenden Leistungsbezug beim Beklagten. Der Kläger ist selbständig tätig. Mit Bescheid vom 26.2.2013 wurden für den Kläger vorläufige Leistungen in Höhe von monatlich 561,37 € (Regelbedarf 345 € und kopfanteilige Kosten der Unterkunft von 216,37 €) für die Zeit vom 1.3.2013 bis 31.8.2013 bewilligt. Leistungen für die Klägerin wurden versagt. Sie sei zum Untersuchungstermin am 15.1.2013 ohne wichtigen Grund nicht erschienen. Deren Erwerbs(un)fähigkeit könne daher nicht festgestellt werden. Für die Ermessensausübung sei ausschlaggebend gewesen, dass der Beklagte seit 2009 vergeblich versucht habe, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu überprüfen. Sie sei bisher mehrfach zu Untersuchungsterminen geladen worden, aber bisher nie erschienen. Die verschiedenen chronischen Krankheiten (Herz, Asthma und Burnout) seien kein Grund dafür, dass die Klägerin in keiner Weise mitwirke. In Ausführung des Beschlusses des Bay. Landessozialgerichts vom 28.2.2013, L 16 AS 50/13 B ER wurden auch der Klägerin mit Bescheid vom 6.3.2013 Grundsicherungsleistungen bewilligt (für März und April für beide monatlich 1.053,75 € unter Berücksichtigung eines Minderungsbetrages für die Klägerin aufgrund von vorausgehenden Sanktionen von monatlich jeweils 69 €; für Mai bis August 2013 monatlich insgesamt 1.122,75 € ohne Minderung infolge von Sanktionen). Mit Änderungsbescheid vom 6.5.2013 wurde der Bescheid vom 6.3.2013 für die Klägerin aufgrund eines mit Schreiben vom 22.4.2013 erklärten Verzichts für die Zeit ab 1.6.2013 aufgehoben. Mit Änderungsbescheid vom 14.5.2013 wurde der Bescheid vom 6.5.2013 wieder aufgehoben. Für Juni und Juli war ein Minderungsbetrag von jeweils 34,50 € für die Klägerin ausgewiesen. Mit endgültigem Bescheid vom 21.10.2013 wurden wiederum Leistungen in derselben Höhe wie im Bescheid vom 6.3.2013 bewilligt (Minderung wegen Sanktion von 69 € für März und April, keine Sanktionen für die Zeit ab Mai).

Bereits mit Schreiben vom 15.1.2013, zugestellt mit PZU am 19.1.2013, wurde die Klägerin zum Untersuchungstermin am 30.1.2013 zwecks Überprüfung ihrer Erwerbsfähigkeit eingeladen. Die Einladung enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung über eine mögliche Sanktion von 10 % des Regelbedarfs. Zum Termin ist die Klägerin ohne Angabe eines Grundes nicht erschienen. Mit Schreiben vom 16.4.2013 wurde sie zur beabsichtigten Sanktion gehört. Hierzu äußerte sich der Kläger am 24.4.2013 wie folgt: „Unterlassen Sie diese verfassungswidrige Haltung und sorgen Sie lieber dafür, dass wir endlich die Gelder erhalten, die uns zustehen!“ Mit Bescheid vom 24.5.2013 wurde das Arbeitslosengeld II der Klägerin monatlich um 10 % des maßgebenden Regelbedarfs, derzeit 34,50 €, für die Zeit vom 1.6.2013 bis 31.8.2013 gemindert. Hiergegen richtete sich der Widerspruch vom 26.5.2013. Die Klägerin trug sinngemäß vor, dass sie die Nichtteilnahme am ärztlichen Untersuchungstermin begründet habe, die Sanktion daher rechtswidrig sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.7.2013 wurde der Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Ein wichtiger Grund für das Nichterscheinen liege nicht vor.

Die Kläger erhoben am 15.7.2013 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die Sanktion sei rechtswidrig. Mit weiterem Schreiben vom 31.7.2013 baten sie um einen Abgleich offener Verfahren bzw. um Übersendung entsprechender Beschlüsse, soweit die Verfahren schon abgeschlossen sind.

Der Beklagte machte mit Schriftsatz vom 20.8.2013 geltend, dass die Klage des Klägers unzulässig se...

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