Entscheidungsstichwort (Thema)
Soldatenversorgung. Berufsschadensausgleich. Beschränkung von Rechtsbehelfen. Teilanfechtung. Einstufung des Hätte-Berufs. Leistungsgruppe II bzw Leistungsgruppe 1. vorzeitige schädigungsbedingte Berufsaufgabe. Maßgeblichkeit des Umschulungsberufs
Orientierungssatz
1. Der Kläger kann sich bei seinen Rechtsbehelfen gegen die Bewilligung von Berufsschadensausgleich darauf beschränken, dass sich diese nur gegen die Einstufung des Hätte-Berufs richten und den gesondert geregelten Anspruch auf Berufsschadensausgleich dem Grunde nach unberührt lassen.
2. Wird nur die Einstufung des Hätte-Berufs angefochten, wird die Kürzung des Vergleichseinkommens mit Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 8 Abs 1 S 1 Nr 1 der Berufsschadensausgleichsverordnung idF vom 16.1.1991 (juris: BSchAV) nicht tangiert.
3. Die Berechnung des Berufsschadensausgleichs erfolgt im Falle einer verfrühten, durch die Schädigung wesentlich bedingten Aufgabe des Berufs nicht nach dem Renten-Berufsschadensausgleich des § 30 Abs 3 und Abs 4 BVG, sondern nach den allgemeinen Regeln des Berufsschadensausgleichs.
4. Bei einer Verschlechterung oder einem Hinzutreten eines weiteren Leidens ist ausnahmsweise der Umschulungsberuf als Hätte-Beruf anzusehen, wenn der Beschädigte den Umschulungsberuf über längere Zeit - nicht nur als Arbeitsversuch - ausgeübt hat und er darauf vertrauen durfte, dass ihm die nunmehr erlangte wirtschaftliche und soziale Stellung auf Dauer erhalten bleibt (vgl BSG vom 30.11.1971 - 10 RV 150/70 = SozR Nr 53 zu § 30 BVG).
5. Eine Einstufung in die bis 30.6.2009 gültige Leistungsgruppe II bzw in die ab 1.7.2009 gültige Leistungsgruppe 1 setzt eine eingeschränkte Dispositionsbefugnis im Hätte-Beruf voraus, die sich über den Arbeitsablauf im eigenen Arbeitsgebiet hinaus auf die Existenz des Unternehmens erstreckt und das Unternehmerrisiko direkt beeinflusst (vgl BSG vom 31.5.1979 - 10 RV 69/78 und vom 19.6.1996 - 9 RV 19/94 = SozR 3-3642 § 9 Nr 3).
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15. November 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten wegen eines Berufsschadensausgleichs ab 01.06.2001.
Der 1941 geborene Kläger hatte acht Jahre lang die Volksschule besucht. Danach erlernte er den Schlosserberuf (Kunst- und Bauschlosserei) und erwarb während seiner Bundeswehrzeit den Meistertitel (April 1966). Die Tätigkeit als Schlosser übte er vor seiner Wehrdienstzeit als Geselle, danach als Meister - und zwar bis 31.03.1971 - aus. Offenbar parallel absolvierte der Kläger die REFA-Grundlehrgänge 1 und 2. Es folgte eine Ausbildung zum Technischen Betriebswirt an der Akademie Ü. vom 01.04.1971 bis 31.03.1972; dabei handelte es sich um ein zwölfmonatiges Vollzeitstudium. Der Kläger wurde in folgenden Fächern unterrichtet: Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre; Buchführung, Bilanzanalyse, Bilanzkritik; Kaufmännisches Rechnen, Kalkulation, Kostenrechnung; Steuerrecht; Wirtschaftsrecht; EDV und Organisation; Marketing, Marktforschung, Marktanalyse, Public-Relations, Werbung, Verkaufsförderung; Deutsch, Stilkunde, Rhetorik; Englisch bzw. Französisch.
Im Anschluss daran war der Kläger im erlernten Sektor bei verschiedenen Arbeitgebern tätig. Seit dem 01.04.1987 bis zum Ruhestand (mit Ablauf des 31.05.2001) arbeitete er bei der Firma M., A-Stadt. (Herstellung von Gummiwaren); im Antrag auf Berufsschadensausgleich gab er die dortige Tätigkeit mit "Gruppenleiter, Refa-Techn. Angestellter" an. Er fungierte als Leiter einer Einheit für Zeitwirtschaft. Schwerpunkt seiner Tätigkeit war die Durchführung von Zeitstudien, Verteilzeitermittlungen, Multimomentaufnahmen und Schwachstellenanalysen. Der Kläger war Gruppenleiter, ihm waren bis zu sechs REFA-Mitarbeiter unterstellt. Im gesamten Betrieb waren von insgesamt 1.200 Mitarbeitern etwa 80 Kollegen in ähnlich gelagerter Funktion mit ähnlich gelagerter Verantwortlichkeit und ähnlicher Eingruppierung tätig. Die Arbeitseinheit Zeitwirtschaft stand im Rang unter einer Abteilung und war auch nicht in eine solche eingebunden; vielmehr war der Kläger direkt dem Hauptabteilungsleiter "Industrial Engineering" unterstellt. Sein Bruttoeinkommen betrug zuletzt 7.390 DM.
Vom 01.04.1962 bis 31.03.1970 hatte der Kläger Wehrdienst als Soldat auf Zeit geleistet. Während des Wehrdienstes hatte sich ein Nierenleiden manifestiert, das als Wehrdienstbeschädigung anerkannt wurde. Im November 2000 wurde er dialysepflichtig. Mit Bescheid vom 11.04.2001 stellte der Beklagte folgende Gesundheitsschäden als Wehrdienstbeschädigung fest:
1. Dialysepflichtiges Nierenleiden
2. Hüftkopfnekrose beidseits mit Kunstgelenkersatz der Hüfte rechts, nephrogen-urämische Polyneuropathie
3. operativ angelegte arterio-venöse Fistelbildung (Shunt) an beiden Unterarmen, links verschlossen
4. Bluthochdruck
5. Überfunktion der Nebenschilddrüse
6. reizlose Operationsnarben in der r...