Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung im Alter. Prüfzeitraum einer Leistungsklage. unabweisbarer Sonderbedarf für Instandhaltung. Basistarif der privaten Krankenversicherung. Subsidiarität der Sozialhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zum Streitgegenstand bei der Ablehnung von Leistungen der Grundsicherung in der Sozialhilfe.

2. Zu den Kosten der Instandhaltung des Schonvermögens.

3. Verwertbarkeit eines Wohnrechts

 

Orientierungssatz

1. Eine Leistungsklage ist bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu prüfen.

2. Lehnt die Behörde die Leistungsgewährung vollumfänglich ab, ist über den geltend gemachten Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu entscheiden unter Berücksichtigung aller tatsächlichen oder rechtlichen Änderungen, ohne dass es dafür eines neuen Bescheides bedarf.

3. Bei der Beurteilung der Absetzung der Kosten einer Unfallversicherung im Sozialhilferecht ist eine über die Empfehlungen für den Abschluss einer Unfallversicherung, die eine Absicherung des Vierfachen des Bruttojahreseinkommens als ausreichend ansehen, deutlich hinausgehende Absicherung als unangemessen anzusehen.

4. Eine Absicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung ist angemessen.

5. Die Verwertbarkeit vermögensrechtlicher Ansprüche beurteilt sich unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten (§ 90 SGB XII). Der Vermögensinhaber muss über das Vermögen verfügen dürfen, aber auch verfügen können. Kann der Vermögensinhaber das Vermögen nicht in angemessener Zeit verwerten, verfügt er nicht über bereite Mittel.

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2014 wird abgeändert. Die Bescheide des Beklagten vom 19.03.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2014 werden aufgehoben. Der Beklagte hat dem Kläger Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit in folgendem Umfang zu zahlen:

Februar 2013 44,46 €,

Juni 2013 4,97 €,

Juli 2013 35,91 €,

August 2013 27,71 €,

Oktober 2013 11,05 €,

November 2013 2,71 €,

Februar 2014 59,87 €,

Mai 2014 47,25 €,

Juli 2014 40,26 €,

August 2014 32,34 €,

November 2014 7,34 €,

Februar 2015 66,85 €,

April 2015 7,55 €,

Juli 2015 44,44 €,

August 2015 72,51 €,

Oktober 2015 41,81 €,

Februar 2016 67,28 €,

April 2016 7,96 €,

Juli 2016 26,22 € und

August 2016 52,31 €.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat die oben genannten Leistungen dem Grunde nach zu verzinsen.

IV. Der Beklagte hat dem Kläger 1/5 seiner außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Grundsicherung im Alter ab Dezember 2012.

Der 1945 geborene Kläger bezieht nach vorangehender Rente wegen Erwerbsminderung Rente wegen Alters von der deutschen Rentenversicherung (ab Dezember 2012 in Höhe von 904,87 €). Der Kläger wohnt in einem Haus, das er insgesamt im Jahr 2007 seiner Tochter übertragen hatte und wofür er für die gesamten Räume im Erdgeschoss ein Wohnungsrecht erhalten hatte. Nach dem Überlassungsvertrag war der Erwerber verpflichtet, für die Erhaltung der Wohnung in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen. Er habe auf seine Kosten Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten vorzunehmen, auch soweit sie zur gewöhnlichen Unterhaltung ungehörten. Die Kosten für Wasser- und Strombezug und die Beheizung der (Auszeit)Wohnung, sowie alle übrigen Betriebskosten der Wohnung trage der Wohnungsberechtigte selbst.

Mit Urteil des erkennenden Senats vom 19. Juli 2011 (Az.: L 8 SO 236/10) wurde eine Berufung des Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. Oktober 2010 wegen eines Anspruchs auf Grundsicherung zurückgewiesen.

Am 07.12.2012 beantragte der Kläger erneut bei dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII). Insbesondere verlangte er auch die Übernahme der vollen Beiträge für seine private Krankenversicherung (549,98 € monatlich). Außerdem beantragte er die Vorauszahlung der Kosten für fünf Ster Fichtenholz zu Heizzwecken und die Kosten für den Austausch einer defekten Dusch-Mischer-Kombination für Warm- und Kaltwasser. Als Aufwendungen zusätzlich zur Regelleistung machte der Kläger diverse Kosten für sein Wohnrecht geltend, so zum Beispiel Brandversicherung (Oktober 2012 mit 60,90 €), vierteljährliche Grundsteuer (August 2012 mit 75,13 €), Restmüll vierteljährlich (August 2012 34,05 €), Stromkosten (2011 mit 876,20 €), Rechnungen des Kaminkehrers (29.02.2012 mit 28,49 € und 44,98 €).

Am 20.12.2012 teilte der Beklagte unter Bezugnahme auf das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 19.07.2011 (Az.: L 8 SO 236/10) dem Kläger mit, dass sich im Vergleich zu seiner früheren Antragsstellung im Jahr 2009 der zugrunde liegende Sachverhalt nicht wesentlich verändert habe und legte zur Erläuterung ein Berechnungsblatt bei, aus dem sich ein den Bedarf übersteigendes Einkommen ergab. Auf den Widerspruch des Klägers hob der Beklagte das nunmehr als Verwaltungsakt angesehene Schreiben vom ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?