Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung: Hinterbliebenenleistungen nach dem Tod eines Mitglieds der Wasserwacht
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Versicherungspflicht bei Tätigkeiten der Wasserwacht.
2. Das Schwimmen eines Wasserwachtmitglieds ist nur versichert, wenn das Schwimmen nach der objektiven Handlungstendenz dem Unternehmen Wasserwacht wesentlich dient, insbesondere beim Einsatz zur Rettung von Personen.
Orientierungssatz
Zu den versicherten Tätigkeiten i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII zählen neben allen Hilfen bei Unglücksfällen oder bei Unfällen, bei der Bergung von Toten und bei der Beseitigung von Unfallfolgen auch Verwaltungsarbeiten, Vorbereitungshandlungen oder sonstige Verrichtungen, die dem Unternehmen wesentlich zu dienen bestimmt sind (vgl. BSG, 29. November 1990, 2 RU 27/90) und damit letztlich der Erfüllung der satzungsgemäßen Aufgaben des Unternehmens dienen.
Normenkette
SGB VII § 2 Abs. 1 Nr. 12, § 8 Abs. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, Abs. 2, §§ 64-65; RVO § 539 Abs. 1 Nr. 8
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28.09.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen hat, weil ihr Ehemann infolge eines Arbeitsunfalls verstorben ist.
Der 1958 geborene Ehemann der Klägerin G. N. (im Folgenden G.N.) war Mitglied und zweiter Vorsitzender der Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) Ortsgruppe A-Stadt. Die Ortsgruppe betreut in der Badesaison von Mai bis September an den Wochenenden und Feiertagen die Wasserwachtstation am K-See, einem Badesee im Naturschutzgebiet E. (Länge ca. 1.500 m, Breite ca. 500 m).
Am Donnerstag, den 16.07.2009 wurde G.N. gegen 19.20 bzw. 19.30 Uhr von einem Badegast im K-See in A-Stadt leblos treibend gefunden. G.N. wurde mit dem Rettungshubschrauber geborgen. Reanimationsversuche durch den Notarzt Dr. L. blieben erfolglos. Bereits bei Einlieferung in die A. Stadtklinik Bad T. gegen 20.50 Uhr war kompletter Herzstillstand eingetreten. Die Wiederbelebungsmaßnahmen wurden erfolglos fortgeführt und um 21:36 Uhr wurde der Tod festgestellt. G.N. war bekleidet mit Badeshorts. In seinen Shorts, zwischen Netz und Haut, fanden die Ärzte ein Teppichmesser.
G.N. hatte sich am 16.07.2009 um 15.30 Uhr in das Wasserwachtbuch eingetragen.
Mit der Unfallanzeige vom 27.07.2009 meldete das BRK der Beklagten den tödlichen Unfall. G.N. sei Wasserwachtmitglied und im Wachbuch der Wasserachtstation eingetragen gewesen, als er um ca. 19.00 Uhr nochmals zum Dienstschluss alleine auf den See hinausgeschwommen sei. Auf Nachfrage der Beklagten - u.a. zum dienstlichen Auftrag von G.N., zu Üblichkeit und Zweck des Hinausschwimmens auf den See, zur Einteilung weiterer Mitglieder und zu Beobachtungen anderer Personen - hat Herr V. A. vom BRK mit Schreiben vom 04.12.2009 mitgeteilt, dass G.N. als stellvertretender Ortsgruppenleiter die Dienststelle jederzeit betreten konnte. In Absprache mit dem Ortsgruppenleiter (mündlicher Auftrag) habe G.N. an diesem Tag weiter die Küche in der Wasserwachtstation eingebaut. An diesem Tag hätten hochsommerliche Temperaturen mit über 30° im Schatten geherrscht. Vermutlich sei es G.N. beim Einbau der Küche zu heiß geworden, weshalb er Abkühlung im See gesucht habe. Weitere Personen seien nicht zum Dienst eingeteilt gewesen und niemand habe beobachtet, wie G.N. hinausgeschwommen sei.
Die Kriminalpolizei Bad T. ging nach Abschluss ihrer Ermittlungen im Schlussvermerk vom 25.12.2009 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Suizid aus.
Folgende Vorgeschichte lässt sich den polizeilichen Ermittlungen, ergänzt durch Angaben der Klägerin im Gerichtsverfahren, entnehmen:
Einige Jahre vor seinem Tod war G.N. als Abteilungsleiter der Firma S. ausgestellt worden. Diese Ausstellung bzw. dieser Karriereknick machten ihm psychisch sehr zu schaffen. Ca. 2001 wollte er sich in der Hütte der Wasserwacht am K-See in A-Stadt erhängen. Nach Aussage der Klägerin im Erörterungstermin vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) hatte sich G.N. damals telefonisch von ihr verabschieden wollen. Sie habe im Rahmen eines ca. dreistündigen Telefonats schließlich seinen Aufenthaltsort von ihm erfahren können und ihn noch rechtzeitig von dem geplanten Suizid abhalten können. Anschließend befand sich G.N. in psychotherapeutischer Behandlung, seit Juli 2006 bei Dr. W.. Die seit ca. 2007 u.a. gemeinsam mit seinem ältesten Sohn M. betriebene Software-Firma lief nach eigenen Angaben gegenüber Dr. W. eher schlecht. Im Oktober 2008 verunglückten die beiden jüngsten seiner drei Söhne im Alter von 18 und 19 Jahren bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Schule tödlich.
Die Obduktion durch Prof. Dr. G., Dr. F. und PD Dr. P. vom 28.07.2009 ergab keine Hinweise auf eine todesursächliche mechanische Gewalteinwirkung wie von dritter Hand oder für eine todesursächliche...